Meinung FDP will SPD-Wähler abschöpfen – und dann?

Meinung · FDP-Chef Christian Lindner hat vor politischem Stillstand in Deutschland gewarnt und eine Mitarbeit der Liberalen bei nötigen Weichenstellungen angeboten. Und er wirbt um die politisch „Heimatlosen“. Aber: Diese neue Strategie braucht glaubwürdige Angebote und Antworten.

Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP, spricht während des Dreikönigstreffens der FDP im Stuttgarter Opernhaus. Er wirbt um die „politisch Heimatlosen“.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Wie weit die FDP diese Idee tragen wird, ist ungewiss. Klar ist aber, dass die Liberalen sich nach langer und seltsamer Untätigkeit immerhin mal Gedanken gemacht haben, wie sie wieder zu mehr Gewicht kommen können – wenn schon alle Volksparteien-Pleiten niemals FDP-Siege waren. Auf die Idee, der SPD jene Wähler abspenstig zu machen, die den Linksruck der deutschen Sozialdemokratie so nicht mitgehen wollen, kann man ja durchaus mal kommen.

Denn es gibt in dem Panorama der traditionellen SPD-Wähler viele Menschen, die eine Vorliebe für bestenfalls innovativ getriebene Erwirtschaftung von Mitteln haben, bevor solche Mittel verteilt werden. Frei nach dem Motto eines grundsoliden deutschen Haushalts: Hier wird nur ausgegeben, was eingenommen wurde. Hingegen gehört es bislang zum Rhythmus des neuen Führungsduos der SPD um Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, zu jedem öffentlichen Auftritt eine neue Steuer- oder Ausgaben-Idee mitzubringen, die als Testballon durch die Republik fliegen – und dank fehlender Koordination selbst dann zu viele SPD-Mitglieder verschrecken, wenn die Idee mal einer Debatte wert gewesen wäre.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: ja/Sergej Lepke

Fast logisch, dass andere versuchen, diese Fehlplanung zu nutzen. Dass die FDP mit Florian Gerster, dem Ex-Vorstandsvorsitzenden der Agentur für Arbeit, gleich noch ein frisches Testimonial (früher SPD, jetzt FDP) zur Hand hat, gehört zur Verkaufe: Wo einer ist, sollen viele folgen. Aber: Diese neue Strategie braucht glaubwürdige Angebote und Antworten für den Alltag der Menschen, wenn sie denn aufgehen soll. Klientelpolitik alter Schule ist für ehemalige SPD-Wähler ein „No go“. Nur pragmatische Politik, die sich an Realitäten ausrichtet – und da schwächelt die Partei auffällig – und einen visionären Plan für neue Bündnisse bereit hält, kann dafür sorgen, dass das Abschöpfen über ein paar SPD-Versprengte hinausgeht.