Grundschulen sind (fast) männerfreie Zonen

Analyse: Viele Schüler erleben männliche Lehrkräfte erst in der SekundarstufeI. Der Trend setzt sich fort.

Düsseldorf. Ist die Arbeit mit jüngeren Kindern nur Frauensache? Wer einen Blick in Deutschlands Kindergärten und Grundschulen wirft, beantwortet diese Frage mit Ja. Männer sind dort so so etwas wie eine aussterbende Spezies.

Beispiel NRW: Die Zahl der Männer, die in Kindertagesstätten arbeiten, liegt im kaum wahrnehmbaren Promillebereich. An den Grundschulen sind 89,6 Prozent der Lehrkräfte weiblich. Oft sind allein die Posten der Schulleiter und Hausmeister von Männern besetzt.

In den weiterführenden Schulen setzt sich der Trend fort. In den Hauptschulen arbeiten 61,2 Prozent Lehrerinnen, in den Realschulen macht die Frauenquote 65,9 Prozent aus. Lediglich an Gesamtschulen (55,9 Prozent Frauen) und in den Gymnasien (50,2%) hält sich das Lehrerinnen/Lehrer-Verhältnis weitgehend die Waage.

Bildungsexperten und Gewerkschaften schlagen Alarm. "Kinder und Jugendliche dürfen nicht mit der verzerrten Wahrnehmung aufwachsen, dass unsere Gesellschaft sich in Männer- und Frauendomänen aufteilt", sagt etwa Udo Beckmann, NRW-Chef des Verbandes Bildung und Erziehung. Sowohl Mädchen als auch Jungen bräuchten männliche und weibliche Rollenvorbilder, um ihre Identität zu finden.

Das ist aber gar nicht so leicht. Denn in Deutschland wird fast jede dritte Ehe geschieden, 20 Prozent der Mütter erziehen ihre Kinder ohne Vater. Die Folge: Viele Kinder kommen erst mit dem Übergang in die SekundarstufeI in Kontakt mit männlichen Bezugspersonen. Dabei sind gerade Grundschullehrer für Söhne allein erziehender Mütter ein wichtiges Rollenvorbild.

Lehrer- und Elternverbände fordern deshalb eine ausgewogene Präsenz beider Geschlechter, denn Lehrer und Erzieher setzen andere Impulse als ihre weiblichen Kollegen. Nicht zuletzt hätten Männer eine höhere Lärmtoleranz, sagt Isabell Zacharias, Vorsitzende des Bayerischen Elternverbandes. "Ein Mann weiß einfach, wie es ist, wenn ein Junge unruhig wird, weil er Fußball spielen will."

Doch Männer sind für den Primarbereich immer weniger zu motivieren. Josef Kraus, Chef des Deutschen Lehrerverbandes, macht vor allem die mageren Aufstiegschancen dafür verantwortlich, dass karrierebewusste Männer kaum in die Grundschulen gehen wollen. "Schulleiter wird nur einer, die anderen stecken fest. Auch finanziell." Ein Blick in die Besoldungstabelle der verbeamteten Lehrer gibt ihm Recht: Danach werden Grundschullehrer in NRW nach A12 bezahlt. Das monatliche Einstiegsgehalt beträgt brutto 2600 Euro. Zum Vergleich: Realschullehrer erhalten A13 - knapp 3000 Euro.