Memorandum Heilpraktikerberuf: Medizinexperten fordern Abschaffung
Expertengruppe fordert sogar Abschaffung des Berufs. Heilpraktiker fühlen sich diskreditiert. Politik will mehr Kontrolle.
Münster. Mit einer drastischen Forderung ist am Montag eine Gruppe von Medizinexperten an die Öffentlichkeit gegangen: Der Heilpraktikerberuf solle abgeschafft werden. Oder aber es solle das Berufsbild so geändert werden, dass die Kompetenz als „Fach-Heilpraktiker“ eine Zusatzqualifikation wird — für bereits bestehende Gesundheitsfachberufe wie etwa Physiotherapeuten oder Krankenpfleger mit zusätzlicher fachspezifischer Ausbildung“.
Auf Initiative von Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik an der Universität Münster, hat eine 17-köpfige Expertengruppe (Medizinrechtler, Medizinethiker, Mediziner und andere Berufsgruppen des Gesundheitswesens) Vorschläge erarbeitet, wie das Heilpraktikerwesen zum Nutzen der Patienten reformiert werden sollte. Das „Münsteraner Memorandum“ richtet sich gegen die „unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte“ der Heilpraktiker. Bettina Schöne-Seifert: „Um es deutlich zu sagen: Wir wollten den gegenwärtigen Irrsinn nicht länger hinnehmen.“
Im deutschen Gesundheitswesen gebe es zwei Parallelwelten — die Welt der akademischen Medizin und die Welt der Heilpraktiker. Während die akademische Medizin auf wissenschaftlichen Fakten beruhe und nach begründetem Fortschritt strebe, seien Heilpraktiker in der „Komplementären und Alternativen Medizin“ verankert. Medizinischer Fortschritt werde hier ausgeblendet. Und: Während Mediziner ein langes Studium absolvieren, sei die Ausbildung zum Heilpraktiker kurz und weitgehend unreguliert. Da Heilpraktiker gleichwohl das Etikett „staatlich anerkannt“ bekämen, könnten Patienten leicht den Eindruck gewinnen, dass es sich bei Medizinern und Heilpraktikern um gleichwertige Alternativen handele.
Christian Wilms, Präsident des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker, kritisiert, dass in dem Münsteraner Kreis kein einziger Heilpraktiker vertreten sei und vermutet, dass es darum gehe, „unliebsame Konkurrenz loszuwerden und die erfolgreiche Arbeit der Kollegenschaft zu diskreditieren“. Heilpraktiker seien „ein fester Bestandteil des Gesundheitswesens und leisten mit ihrer Arbeit einen großen Beitrag zur Gesunderhaltung und Gesundwerdung der ihnen anvertrauten Patienten“.
Das NRW-Gesundheitsministerium stimmt auf Anfrage unserer Zeitung dem „Münsteraner Memorandum“ insoweit zu, dass die Vorgaben zur Berufszulassung für Heilpraktiker „nicht den Anforderungen entsprechen, die wir heute an einen Gesundheitsberuf stellen, zum Beispiel Vorgaben für Ausbildungsdauer, Ausbildungsinhalte und eine staatliche Abschlussprüfung.“
Das Fehlen dieser Vorgaben führe zu einem „Wildwuchs“, sagte ein Ministeriumssprecher. Doch wolle man die Heilpraktikertätigkeit selbst nicht in Frage stellen. Vielmehr müsse es bundeseinheitliche Vorgaben für die Erlaubniserteilung, die Ausbildungsinhalte und die Aufsicht über die Heilpraktiker geben. Sollte die nächste Bundesregierung nicht ausreichend in dieser Richtung tätig werden, „wird die Landesregierung eigene landesrechtliche Maßnahmen ergreifen“.