Messerattacke auf Polizisten 16-jährige IS-Sympathisantin Safia muss sechs Jahre in Haft
Celle (dpa) - Für die Messerattacke auf einen Polizisten im Auftrag der Terrormiliz Islamischer Staat hat das Oberlandesgericht Celle die 16-jährige Safia S. zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Den Angriff auf den Beamten vor knapp einem Jahr wertete das Gericht als versuchten Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, sagte eine Gerichtssprecherin. Die Verteidigung kündigte den Gang in die Revision an. Die Gymnasiastin aus Hannover ist die erste wegen einer Terrorattacke in Deutschland verurteilte IS-Sympathisantin.
Der 34-jährige niedergestochene Beamte hatte den Angriff schwer verletzt überlebt. Safia entschuldigte sich bei ihm im Gericht und zuvor in einem Brief.
Der Prozess fand wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Gericht urteilte, die Deutsch-Marokkanerin habe den Polizisten töten und den IS unterstützen wollen. Seit ihrer frühen Kindheit sei sie mit extremistisch-religiösen Kreisen in Kontakt gekommen. Ermittler werteten den Angriff im Hauptbahnhof Hannover als die erste vom IS hier in Auftrag gegebene Tat.
Mit dem Strafmaß entsprach das Gericht genau der Forderung der Bundesanwaltschaft. Safia S. habe aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen dem Polizisten in den Hals gestochen, als dieser sich wegdrehte, sagte Oberstaatsanwalt Simon Henrichs. „Ich bin davon überzeugt, dass sie durchaus damit rechnete, verletzt oder getötet zu werden bei der Tat.“ Safia S. habe sich als Märtyrerin gesehen. „Sie hat unter Anleitung und im Auftrag des IS gehandelt, das hat sich aus den Chats ergeben.“ Fahnder hatten die Kommunikation später in den sichergestellten Handys der Jugendlichen entdeckt.
Der Polizist werde sich sein Leben lang mit dem Angriff beschäftigen müssen, auch wenn er seinen Dienst wieder am Tatort im Hauptbahnhof versehe, sagte Anwalt Marco Burkhardt, der den Beamten als Nebenkläger vertrat. „Es ist aus seiner Sicht ein gerechtes Urteil.“
Burkhardt bezeichnete Safias Angriff als eine Märtyrertat einer neuen „Generation Allah“, gegen die nicht alleine Überwachungskameras und verschärfte Sicherheitsgesetze helfen würden. Nötig sei mehr Sensibilität in der Gesellschaft, damit so etwas nicht wieder passiere.
Safias Verteidiger Mutlu Günal, der für eine mildere Strafe plädiert hatte, will das Urteil anfechten. Die Strafe sei zu hoch. „Das eigentliche Versagen liegt bei der Polizei in Hannover.“ Wenn alle aufgepasst hätten, hätte die Tat verhindert werden können. Den Messerangriff wertete er alleine als schwere Körperverletzung. Er sah weder eine Tötungsabsicht noch die Unterstützung der Terrormiliz Islamischer Staat für erwiesen an. „Radikale Attentäter haben sich, glaube ich, noch nie bei ihren Opfern entschuldigt“, argumentierte Günal mit Blick auf Safias Entschuldigung.
Den Ermittlungen zufolge war Safia S. im Januar 2016 nach Istanbul geflogen, um von dort aus mit Hilfe von IS-Leuten nach Syrien zu gelangen. An der Weiterreise aber hinderte sie ihre Mutter, die sie zurückholte. Über einen Internet-Nachrichtendienst soll Safia S. Kontakt zum IS gehalten und dann die Attacke verübt haben.
Der als Mitwisser von Safias Anschlagsplänen in Celle mitangeklagte 20-jährigen Deutsch-Syrer Mohamad Hasan K. wurde zu zweieinhalb Jahren Haft wegen der Nichtanzeige einer geplanten Straftat verurteilt. Oberstaatsanwalt Henrichs wertete dies als „deutliches Signal an die Mitwisserszene, dass sie nicht vor Strafe geschützt ist“. Gegen K. ermittelt die Bundesanwaltschaft weiterhin, weil er mit den angeblichen Terrorplänen zu tun haben könnte, die zur Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover im November 2015 führten.