Prozess Abgaswerte: Umwelthilfe klagt gegen VW
Hersteller hatte Aussagen des Verbands per einstweiliger Verfügung gestoppt. Doch dieser will sich „nicht mundtot machen lassen“.
Düsseldorf. Die Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) nimmt beim Thema Diesel-Abgaswerte kein Blatt vor den Mund. Nicht in Interviews, nicht in Pressererklärungen. Eine dieser Pressemitteilungen führte nun dazu, dass sich Jürgen Resch, Chef des streitlustigen Umweltverbands, am Mittwoch mit den Anwälten von VW vor dem Landgericht Düsseldorf traf.
Resch hatte im März von einem Staatsversagen gesprochen und das so ausgeführt: „Millionen betroffene Halter von Diesel-Pkw werden von der Bundesregierung allein gelassen. Dies ist Folge der ,eheähnlichen Verbindung’ zwischen der Bundesregierung und den deutschen Autokonzernen. Während VW der amerikanischen Umweltbehörde zusagt, die Betrugs-Diesel so umzubauen, dass sie durch verbesserte Katalysatoren die Abgaswerte auf der Straße einhalten, ignoriert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Recht und Gesetz und ermöglicht VW eine . . .“
Ab hier, also ab den Pünktchen, ist die Pressemitteilung der Umwelthilfe vom 17. März in großen Teilen geschwärzt. Und das liegt daran, dass VW gegen die Umwelthilfe beim Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung erwirkte. Diverse Aussagen dürfen seither nicht mehr öffentlich gemacht werden. Doch der Umweltverband will sich „nicht mundtot machen lassen“ und legte Widerspruch beim Landgericht ein, um die gemachten Vorwürfe weiter äußern zu dürfen. Am MIttwoch tauschten die Anwälte vor Gericht ihre unversöhnlichen Meinungen aus.
Vorgeschichte der massiven Angriffe der Umwelthilfe gegen Kraftfahrtbundesamt und VW sind von der DUH selbst in Auftrag gegebene Emissionsmessungen. Es wurden die realen Abgaswerte eines VW Golf vor und nach dem Software-Update gemessen. Also der Nachrüstung, für die auch VW die vom Dieselskandal betroffenen Wagen in die Werkstätten zurückgerufen hat. Getestet wurde ein VW Golf 1.6 TDI Variant, Baujahr 2010. Dieser gehörte zu den Wagen, die mit der Manipulationssoftware ausgestattet war, die die Fahrzeuge zwar im Labor sauber erscheinen ließ, auf der Straße aber die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß deutlich überschritten.
Der Grenzwert für Stickoxide liegt bei 180 Milligramm pro gefahrenem Kilometer. Vor dem Update der Software stieß der Wagen nach den DUH-Messungen im Durchschnitt 964 Milligramm pro Kilometer aus. Nach dem Update sank der Wert auf 602 Milligramm, lag damit aber weiterhin ein Vielfaches über dem Grenzwert von 180 Milligramm.
Wenn nun VW der Umwelthilfe insgesamt zehn Aussagen zur Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Software-Updates untersagt, will Resch das nicht hinnehmen. „Seit Wochen sind wir in unserer Arbeit, der Verbraucheraufklärung, lahmgelegt“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Im Gespräch vor der Gerichtsverhandlung wollte und durfte er freilich nicht die in der Aussage geschwärzten Bewertungen wiederholen. „Doch was ich natürlich weiter sage und sagen darf: Die Überschreitung von 600 Milligramm Stickoxid ist eine Sauerei.“
Auch Remo Klinger, Anwalt der Umwelthilfe, versuchte das Gericht in der Verhandlung zu überzeugen: „Warum darf ein Umweltverband bei diesen abnorm hohen Werten nicht den Schluss ziehen, dass eine solche Überschreitung der zulässigen Werte rechtswidrig ist?“ Eine solche Äußerung sei vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt.
Die Anwälte von VW sehen das ganz anders. Es gehe nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine falsche Tatsachenbehauptung, die der Umwelthilfe verboten sei. Der Verband behaupte zu Unrecht, dass VW die geltenden Abgaswerte nach den gültigen EU-Abgasnormen nicht einhalte. Entscheidend dafür sei nämlich die Einhaltung der Werte im normierten Prüfverfahren. Dieses Prüfverfahren meine die Prüfung „auf einem rollenden Prüfstand.“
DUH-Chef Resch hält dagegen: „Nach dem Europarecht ist es eindeutig, dass die Grenzwerte nicht nur der Atemluft im Prüflabor dienen, sondern vor allem der Gesundheit der Bürger.“ Der Maßstab müsse eine ordnungsgemäße Abgasreinigung nicht nur während der 20-minütigen Laborprüfung, sondern unter normalen Straßenbedingungen sein — im heißen Sommer wie im kalten Winter.
Das Gericht muss nun entscheiden: Bleiben der Umwelthilfe die in der Pressemitteilung gemachten Äußerungen verboten, weil damit fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass VW geltende Abgasnormen nicht einhält? Oder geht es um eine zulässige Meinungsäußerung, die sich VW gefallen lassen muss? Das Gericht will sein Urteil am kommenden Mittwoch sprechen.