AfD beobachten? Verfassungsschützer erwägen zunächst Materialsammlung
Seit langem gibt es Forderungen, der Verfassungsschutz müsse die AfD wegen rechter Umtriebe unter Beobachtung stellen. Bislang sieht der Inlandsgeheimdienst in Bund und Ländern keine Grundlage dafür. Aber ein klein wenig Bewegung kommt nun doch in die Sache.
Berlin. Als Vorstufe zu einer möglichen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz erwägt der Inlandsgeheimdienst in Bund und Ländern, eine Materialsammlung über die Partei zu erstellen. Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern dazu laufe, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin. Es gehe darum, möglicherweise Sachverhalte zusammenzutragen, auf deren Grundlage über eine Beobachtung der AfD bundesweit entschieden werden könnte. „So eine Entscheidung muss gut vorbereitet sein.“ Die Verfassungsschutzchefs von Bund und Ländern stellten in einer gemeinsamen Mitteilung klar, bislang gebe es noch keine Grundlage für eine Beobachtung der AfD als Partei.
AfD-Politiker haben in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen gemacht mit rassistischen Äußerungen oder Verbindungen zu rechten Gruppen. Auf fast jeden Zwischenfall dieser Art folgte die Forderung, der Verfassungsschutz müsse die Partei unter Beobachtung stellen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) lehnte das bisher ab - mit der Begründung, es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsextremistisches Bestreben der Partei insgesamt. Die Kriterien dafür seien nicht erfüllt: Eine bundesweite Einflussnahme oder gar Steuerung der AfD durch Rechtsextremisten sei nicht erkennbar. Der Verfassungsschutz habe zu bewerten, ob eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehe. Das sei nicht bei jeder radikalen oder grenzwertigen Äußerung der Fall. Auch auf Landesebene ist die AfD noch nirgendwo ein Beobachtungsobjekt.
Die Sprecherin des Innenressorts betonte aber, die offen vorliegenden Informationen zur AfD würden durch die Verfassungsschützer in Bund und Ländern fortlaufend bewertet. Man habe die Partei genau im Blick. „Die neue Dynamik aufgrund von Äußerungen nehmen wir auch wahr.“ Daher stimme sich das BfV nun eng mit den Ländern über das weitere Vorgehen ab - und eben über die Frage einer Materialsammlung.
Die Leiter der Verfassungsschutzämter aus Bund und Ländern trafen sich am Mittwoch zu einer Tagung in Köln und berieten dort unter anderem über den Umgang mit der AfD. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte vorab berichtet, einige Landesämter drängten die Verfassungsschützer im Bund dazu, deutschlandweit Material für eine mögliche Beobachtung der AfD sammeln zu lassen.
Nach dem Treffen stellten die Behördenchefs klar, derzeit gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte, die eine Beobachtung der AfD als Partei begründen würden. Man prüfe aber fortlaufend offene Indizien wie Aktivitäten, Aussagen oder eine potenzielle Zusammenarbeit mit extremistischen Gruppen darauf, „ob es sich um Einzelmeinungen und -agitationen oder um eine parteipolitische Leitlinie handelt“. Eine Beobachtung ginge deutlich weiter: Dann wäre auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich.
Der Verfassungsschutz könnte etwa bestimmte Teile der Partei unter Beobachtung stellen - wie das etwa bei der Linken passiert ist. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte der „Stuttgarter Zeitung“ (Donnerstag): „Wenn der Verfassungsschutz die Kommunistische Plattform unter Beobachtung hat, muss er sich auch der Patriotischen Plattform in der AfD widmen.“ Der Leiter des Verfassungsschutzes in Hamburg, Torsten Voß, sagte dem „Spiegel“, bei einzelnen Plattformen der AfD könne „die Schwelle der Beobachtung bald erreicht sein“.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich für die Beobachtung einzelner AfD-Mitglieder aus. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer (CSU) wiederum warnte davor, der AfD durch einen solchen Schritt einen „Märtyrerstatus“ zu geben.
Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland kommentierte die Debatte nur knapp und sagte auf Anfrage, er halte eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für falsch. Die AfD sei eine „Rechtsstaatspartei“.
Für Diskussionen zwischen den Verfassungsschützern in Bund und Ländern sorgt auch die Frage, ob das Bundesamt mehr Macht bekommen soll. Mehrere Verfassungsschutzämter in den Ländern sprachen sich auf dpa-Anfrage gegen eine weitere Zentralisierung aus - etwa Hamburg, Bremen oder Schleswig-Holstein. Der Chef der Innenministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), sagte der dpa, die Kompetenzverteilung solle unangetastet bleiben. „Bei einer Riesenbehörde besteht die Gefahr, dass der am einen Ende nicht mehr weiß, was der am anderen Ende macht.“ dpa