Analyse: Verliert die CDU ihre Metropolen-Kompetenz?
Nach der Stichwahl regiert in keiner der zehn größten deutschen Städte mehr ein Christdemokrat.
Düsseldorf. Alles, was Konrad Adenauer als erster Kanzler der Bundesrepublik an politischem Rüstzeug mitbrachte, hatte er im Kölner Rathaus erworben, wo er von 1917 bis 1933 und kurz im Jahr 1945 als Oberbürgermeister regierte. Wesentlich komplizierter als ein Stadtrat ticken weder Landesparlamente noch der Bundestag.
Über Jahrzehnte waren die Rathäuser der großen Metropolen wichtige Talent-Schmieden der CDU, die Stimmen ihrer Oberbürgermeister hatten bundespolitisches und innerhalb der CDU auch programmatisches Gewicht. Vom Stuhl des Regierenden Bürgermeisters wechselte Richard von Weizsäcker 1984 ins Amt des Bundespräsidenten. Der im vergangenen Jahr verstorbene Stuttgarter Manfred Rommel (OB von 1974 bis 1996) setzte Meilensteine für eine liberale und weitschauende Integrationspolitik.
Nicht die SPD mit Klaus Wowereit, sondern die CDU stellte mit Ole von Beust (Hamburger Erster Bürgermeister von 2001 bis 2010) den ersten offen homosexuellen Rathauschef einer deutschen Millionen-Stadt. Petra Roth (OB in Frankfurt von 1995 bis 2012) stritt innerhalb der CDU als eine der Ersten für ein vernünftiges Verhältnis zum Islam und eine sachliche Drogen-Politik.
Nicht nur Berlin, Hamburg und Frankfurt sind für die CDU verloren, es reicht auch nicht mehr für Köln, wo Fritz Schramma (OB von 2000 bis 2009) sich nach der Messehallen-Affäre in den Trümmern des Stadtarchivs verstolperte. Seit Sonntag reicht es auch nicht mehr für Düsseldorf, wo Dirk Elbers als politischer Erbe des überragenden wie umstrittenen Joachim Erwin (OB von 1999 bis zu seinem Tod 2008) von den Wählern aus dem Amt gejagt wurde.
Mit Düsseldorf hat die CDU nun alle wirklichen Metropolen im Westen an die SPD verloren. Dresden ist nun die letzte deutsche Großstadt mit mehr als 500 000 Einwohnern, in der noch ein Christdemokrat regiert. Der Parteienforscher Gerd Langguth warnte die Union schon vor Jahren, Kanzlerin Angela Merkel zu ihrem einzigen Programm zu machen und auf alle inhaltlichen Diskussionen zu verzichten. Dabei war es ausgerechnet Merkel, die vor zehn eine Arbeitsgruppe „Große Städte“ (unter der Leitung von Jürgen Rüttgers) eingesetzt hatte, um in den Metropolen wieder mehrheitsfähig zu werden. Nach einem Jahr herrschte in der Gruppe der Zustand, den Langguth in der ganzen CDU sieht: „Grabesruhe“.
Und so rücken nun die CDU-Oberbürgermeister der „kleineren“ Großstädte wie Wuppertal, Solingen und Krefeld in den Fokus, wo 2015 gewählt wird. Peter Jung (Wuppertal) und Gregor Kathstede (Krefeld) werden um ihre Wiederwahl kämpfen müssen (Norbert Feith in Solingen tritt nicht mehr an), aber die erhöhte Aufmerksamkeit muss kein Nachteil sein. In Mönchengladbach und Moers haben Hans Wilhelm Reiners und Christoph Fleischhauer gezeigt, wie man vermeintlich „sichere“ SPD-Amtsinhaber krachend besiegt.