Andere Plagiatsjäger verzichteten auf Schavan-Attacke

Berlin (dpa) - Die Doktorarbeit von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) war bereits monatelang auch im Visier anderer Plagiatsjäger. Mangels schwerwiegender Vorwürfe hätten sich jedoch die Mitglieder des Netzwerkes „VroniPlag“ mehrheitlich entschieden, ihre Ergebnisse nicht zu veröffentlichen.

Das sagte die Berliner Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff „Spiegel online“. Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), forderte eine vom Staat geförderte offizielle Clearingstelle, um Plagiatsvorwürfe aus der Anonymität des Internets herauszuholen.

Das Auffinden von Plagiaten dürfe nicht länger allein anonymen Internetplattformen überlassen bleiben, sagte Burchardt in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Zu häufig sind dabei auch Einzelinteressen, Konkurrenzdenken und Rivalitäten unter Wissenschaftlern im Spiel - was es bisweilen nicht nur in Wirtschaftsunternehmen, sondern auch in Hochschulen gibt.“

Schavan muss sich seit Anfang der Woche anonymer Plagiatsvorwürfe im Internet erwehren. Auf einer Plattform „Schavanplag“ listet ein Unbekannter angebliche Plagiatsstellen auf 56 Seiten ihrer gut 350 Seiten starken Dissertation aus dem Jahr 1980 auf. Im Wesentlichen werden ihr Mängel und „Verschleierung“ beim Quellennachweis vorgeworfen - anders als im Fall von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der komplette Textstellen anderer Autoren als sein geistiges Eigentum in der Dissertation ausgewiesen hatte.

Es gebe auch in Schavans Arbeit „sehr problematische Stellen“, sagte Weber-Wulff, die Professorin für Medieninformatik an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft ist. Sie hätten aber „nicht die Güteklasse eines Guttenberg“. Für eine Veröffentlichung der Kritik an Schavans Arbeit durch „VroniPlag“ hätten „mindestens zehn bis zwanzig Prozent des Textes plagiiert sein“ müssen. „Das ist bei Schavan nicht der Fall“, sagte Weber-Wulff dem „Tagesspiegel (Donnerstag).

Weber-Wulff äußerte die Vermutung, dass es sich bei dem anonymen Urheber der Schavan-Veröffentlichung jetzt um ein früheres Mitglied von „VroniPlag“ handeln könne, der über die Mehrheitsentscheidung enttäuscht gewesen sei. VroniPlag-Gründer Martin Heidingsfelder lobte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag) die Veröffentlichung der Vorwürfe durch einen anonymen Verfasser als sehr mutig. „Sich öffentlich zu outen, kann ich niemandem empfehlen.“

Burchardt sagte, die Internetszene habe mit dem Aufdecken zahlreiche Plagiatsfälle erfolgreich „den Finger in eine offene Wunde der Qualitätssicherung bei den Promotionen gelegt“. Es sei nun die Aufgabe der Wissenschaft und auch der Bundesregierung, daraus geordnet Konsequenzen zu ziehen.

Das Bundesbildungsministerium sollte deshalb eine offizielle Clearingstelle etwa unter Mitwirkung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzieren, die Verdachtsfälle unvoreingenommen überprüft und auch Zahlen über das wahre Ausmaß des Schwindels mit Promotionen liefert, forderte Burchardt. „Die Gefahr eines seltsamen, durch das anonyme Internet begünstigten Denunziantentums wächst. Und schnell steht dann jemand im Internet am Pranger - unter Umständen auch manchmal zu Unrecht.“

Rückdeckung bekam Schavan aus der Union. „Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie gegen die Regeln der Wissenschaft verstoßen hat“, sagte ein ranghoher CDU-Politiker in Berlin. „Diese Anonymität der Vorwürfe, das ist eine Form von Denunziantentum die inakzeptabel ist. Da verändert sich unser Land.“

Der Plagiatsexperte Stefan Weber, der mehrfach bei Gerichtsverfahren um Doktorarbeiten als Sachverständiger auftrat, sagte hingegen der „Leipziger Volkszeitung“ (Freitag), Schavan sei wegen der Vorwürfe im Amt der Forschungsministerin nicht mehr haltbar.