Arbeitgeber entfachen Streit um Mindestlohn für Flüchtlinge
Berlin (dpa) - Die deutsche Wirtschaft hat den Streit um Ausnahmen für Flüchtlinge beim Mindestlohn neu entfacht. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte in Berlin, dass für Flüchtlinge Sonderregelungen wie für Langzeitarbeitslose gelten sollen.
Diese Ausnahmen sollten zudem von sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Entsprechende Forderungen erhob auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Gewerkschaften, SPD und Opposition wiesen die Forderungen als „Lohndumping“ zurück.
„Die deutschen Unternehmen sind bereit, ihr Möglichstes zu tun“, sagte Kramer beim Arbeitgebertag zur Integration von Flüchtlingen. „Jedes vierte Unternehmen sucht mittlerweile händeringend Fachkräfte.“ Die Flüchtlinge seien zwar nicht die alleinige Lösung - qualifizierte, geregelte Zuwanderung könne nicht ersetzt werden. Aber der Flüchtlingszustrom biete eine Chance.
Die Politik müsse aber Voraussetzungen schaffen. Kramer schloss sich einer Empfehlung der sogenannten Wirtschaftsweisen an, nach der Ausnahmen vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose von sechs auf zwölf Monate verlängert werden und diese auch für Flüchtlinge gelten sollten. Gleichzeitig betonte er: „Bei der Bezahlung darf die Herkunft der Menschen keine Rolle spielen.“ Er wolle Flüchtlinge nicht generell vom 8,50-Euro-Mindestlohn ausnehmen, sonst drohe ein Verdrängungswettbewerb zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten.
DIHK-Chef Eric Schweitzer sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, Praktika sollten innerhalb der ersten sechs Monate für alle vom Mindestlohn ausgenommen sein. Um Ungerechtigkeiten zu verhindern, solle es keine generelle Ausnahme für Flüchtlinge vom Mindestlohn gegeben. „Dann würden Sie auch das Gefühl bei den deutschen Arbeitnehmern bekommen, hier soll gegeneinander ausgespielt werden“, sagte Schweitzer.
Der DGB lehnte jede Ausweitung von Mindestlohn-Ausnahmen ab. „Schlimm genug, dass es noch Ausnahmen gibt für Langzeitarbeitslose, Minderjährige, Zeitungszusteller sowie bestimmte Praktikanten“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der dpa. Die SPD-Vizefraktionschefin Carola Reimann forderte: „Der Mindestlohn muss auch für Flüchtlinge gelten, sonst öffnen wir dem Lohndumping Tür und Tor.“
Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer mahnte: „Die Chancen von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt erhöht man nicht durch schlechtere Bezahlung, sondern durch passgenaue Unterstützung.“ Die Linke-Abgeordnete Jutta Krellmann warf Arbeitgeberverbänden vor, aus dem Leid der Flüchtlinge Kapital zu schlagen.
Kramer forderte zudem, dass alle Flüchtlinge rasch an verpflichtenden Sprachkursen teilnehmen. Asylsuchende mit Bleibeperspektive müssten alle Möglichkeiten der Zeitarbeit, von Praktika und der Jobmarkt-Förderung bekommen. Kramer forderte die Regierung zu einer grundlegenden Korrektur der Gesetzespläne zu Zeitarbeit und Werkverträgen auf.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte auf dem Arbeitgebertag, Europa müsse in der Flüchtlingskrise zusammenstehen und seine Außengrenzen schützen. Dies sei die Voraussetzung, damit man von der chaotischen Zuwanderung, die es jetzt gebe, zu Kontingenten kommen könne. Eine von der CSU geforderte Obergrenze sei damit aber nicht verbunden. „Natürlich wird man das Asylrecht in Deutschland nicht abschaffen“, sagte Gabriel. Auch außerhalb von Kontingenten würden Schutzsuchende kommen.