Arznei: Teurer, aber nicht besser?
Krankenkasse Barmer GEK kritisiert Schein-Innovationen.
Berlin. Patienten in Deutschland bekommen laut einem neuen Arzneimittelreport millionenfach unnötig teure Medikamente. Dabei haben nach Ansicht der Autoren günstigere Alternativen oft weniger Risiken. Nötig sei ein neues Gesetz, so dass neue Mittel erst auf dem Markt zugelassen werden, wenn ihr Nutzen offiziell bewertet ist. Das forderte der Vizechef der Krankenkasse Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, bei der Vorstellung der Studie am Dienstag in Berlin.
Der Bremer Versorgungsforscher Gerd Glaeske, der den Report im Auftrag der Kasse geschrieben hatte, kritisierte, die 30 umsatzstärksten Arzneimittel seien schon länger auf dem Markt befindliche Präparate, deren Nutzen nicht streng genug überprüft worden sei.
Schwarz-Rot hatte die nachträgliche Überprüfung dieser millionenfach verordneten Mittel gestrichen, auch weil eine Klagewelle der Pharmaindustrie drohte. Nur neue Mittel werden noch einer offiziellen Nutzenbewertung mit dem Ziel unterzogen, dass nur Arznei mit wirklichem Mehrwert auch mehr kosten darf.
Laut Glaeske sind unter den am besten verkauften auch Mittel, bei denen sämtliche Anzeichen dafür sprechen, dass sie nicht besser sind als ältere, günstigere Präparate. Dazu zählte er Mittel gegen Multiple Sklerose. Auch viel verordnete Magenmittel zur Unterdrückung der Bildung von Magensäure seien nicht ohne Risiko, mahnte Glaeske. Dabei werde der Magenschutz immer mehr zum Standard für nahezu alle Klinikpatienten, die mehrere Medikamente gegen andere Krankheiten gleichzeitig bekommen.
Strengere Regeln und mehr Zurückhaltung der Ärzte bei neuen Mitteln könnten den Krankenkassen laut Schlenker und Glaeske Einsparungen in Milliardenhöhe bringen — ohne Nachteil für die Patienten. Ein Fünftel bis ein Drittel der Arzneiausgaben entfielen auf Pillen, die nur scheinbar besser seien. Bis zu vier Milliarden könne gespart werden, wenn Ärzte mehr Nachahmerprodukte (Generika) für Mittel verschrieben, deren Patentschutz abgelaufen ist. Ärzte in Ostdeutschland griffen besonders gern zu neuen Mitteln.
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) kritisierte die Forderungen. „Die Krankenkassen wenden schon heute nur rund sieben Prozent ihrer Ausgaben für patentgeschützte Medikamente auf“, sagte Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer .
Die Autoren des Arzneimittelreports müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, „die gute Patientenversorgung und die Forschung für neue Medikamente aufs Spiel zu setzen“. Dürften neue Medikamente künftig erst nach Abschluss der Nutzenbewertung verkauft werden, müssten Patienten zudem weit länger als heute darauf warten.