Atomkugel-Debakel: Ministerin Schulze tritt nicht zurück

Düsseldorf (dpa). Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) sieht in dem Informationsdebakel um Atomkugeln aus Jülich keinen Anlass für einen Rücktritt. Die Vorwürfe der Opposition seien „infam und verleumderisch“, sagte sie am Donnerstag in Düsseldorf.

CDU und FDP beharren dagegen auf ihrer Rücktrittsforderung. Die CDU kündigte an, eine Sondersitzung des parlamentarischen Hauptausschusses zu beantragen, um den „Wirrwarr in Frau Schulzes Atom-Affäre“ so schnell wie möglich aufzuklären. CDU und FDP werfen der Ministerin vor, sie habe so getan als sei ungewiss, wo 2285 Brennelementkugeln des stillgelegten Jülicher Versuchsreaktors geblieben seien.

Die Opposition bezieht sich dabei auf die Antwort der Ministerin auf eine Anfrage der Grünen und auf Presseerklärungen. CDU und FDP vermuten, dass im Zusammenspiel der Grünen-Fraktion mit dem SPD-geführten Wissenschaftsministerium nach der Atom-Katastrophe in Japan Stimmung gegen Kernenergie gemacht werden sollte.

Seit Anfang April steht Schulze deswegen im Visier der Opposition. Die SPD sieht dahinter „eine bösartig inszenierte Rufmordkampagne“ und forderte CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann auf, sich für seine „haltlosen Anschuldigungen“ öffentlich zu entschuldigen. Auch die Grünen sprachen von einer Kampagne der CDU, die nur das Ziel habe, „eine SPD-Ministerin durch persönliche Diffamierung aus dem Amt zu mobben“.

Schulze warf der Opposition „ungeheuerliche Unterstellungen“ vor und reagierte mit einem, wie sie selbst sagte, „ungewöhnlichen Schritt“: Am Donnerstag legte sie den - nach eigenen Angaben - kompletten Schriftwechsel zwischen ihrem Haus, dem Bundesforschungsministerium und dem Forschungszentrum in Jülich zum Thema Atomkugeln vor. Im Kern steht die Frage, warum Schulzes Ministerium Ende März eine andere Antwort veröffentlicht hatte als von der Jülicher Gesellschaft vorgeschlagen. Schulze bleibt bei ihrer Darstellung: Jülich habe „keine eindeutige und unzweifelhafte Bilanz“ zu den Brennelementekugeln vorgelegt.

Deswegen habe ihr Fachreferat entschieden, nur das in die Antwort zu schreiben, was tatsächlich gesichert sei. Deswegen sei auf „eine Restgröße von 2285 Kugeln, die nicht zweifelsfrei nachvollziehbar war“, hingewiesen worden. Sie selbst habe von unterschiedlichen Antwort-Versionen keine Kenntnis gehabt, sondern nur die Endfassung gesehen, versicherte Schulze.

„Es gab keinen Zusammenhang zwischen der Atomkatastrophe in Fukushima und der abschließenden Antwort auf die kleine Anfrage.“ In einer „dienstlichen Erklärung“ übernimmt nun ein Fachreferent ihres Hauses die Verantwortung für die umstrittenen Formulierungen zum ungewissen Verbleib der Kugeln. „Die Angaben des Forschungszentrums waren widersprüchlich“ heißt es in seinem Schreiben. Selbst das Bundesforschungsministerium habe in Telefonaten davon abgeraten, die Anfrage auf Basis von Zahlen zu beantworten, die Jülich lediglich überschlägig ermittelt habe.

Nach Abwägung der vagen Sachlage habe er dann die ursprünglich vorgesehene Antwort „in eigener Verantwortung geändert“. Zu keinem Zeitpunkt habe sie behauptet, es sei radioaktiver Kernbrennstoff abhandengekommen, betonte Schulze. Die wiederholte Nachfrage, warum denn in der Antwort nicht klar gesagt wurde, dass nicht die Lagerung des gefährlichen Inhalts, sondern allenfalls die der Kugelbruchstücke unsicher sei, beantwortete Schulze mantraartig: „Es wurde nach Kugeln gefragt und alle haben sich bemüht, auf der Ebene der Kugeln zu antworten.“

Die Opposition will sich damit nicht zufriedengeben. „Frau Schulzes versuchter Befreiungsschlag geriet zum totalen Rohrkrepierer“, kommentierte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke die Erklärungen. „Frau Schulze versteckt sich hinter der anonymen Verantwortungserklärung eines Mitarbeiters. Das ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten.“