Verwirrung um Treffen der SPD-Spitze zu Sarrazin

Berlin (dpa) - Der Fall Thilo Sarrazin lässt die SPD nicht zur Ruhe kommen. Am Donnerstag gab es Verwirrung um ein angebliches Spitzentreffen zum gescheiterten Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator.

Die „Berliner Zeitung“ berichtete vorab, SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte am Sonntagabend der engeren Parteiführung Gelegenheit geben, das parteiintern heftig kritisierte Verfahren zu erörtern. Die Pläne für ein solches Treffen wurden in der Partei zunächst bestätigt, vom Parteivorstand aber anschließend wieder dementiert. „Ein solches Treffen gibt es nicht“, sagte eine Sprecherin.

An dem Gespräch sollten neben Gabriel dessen vier Stellvertreter Klaus Wowereit, Olaf Scholz, Hannelore Kraft und Manuela Schwesig teilnehmen sowie SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, Generalsekretärin Andrea Nahles, der Europa-Politiker Martin Schulz sowie Schatzmeisterin Barbara Hendricks. Gabriel wollte dafür den Urlaub unterbrechen. Gabriel will am Sonntag, dem 1. Mai, an einer Gewerkschaftskundgebung im Ruhrgebiet teilnehmen.

Wegen Sarrazins umstrittener Thesen zur Integrationsfähigkeit von Zuwanderern hatte die SPD im vergangenen Jahr das Ausschlussverfahren gegen den früheren Finanzsenator und Bundesbanker in Gang gesetzt. Das Verfahren wurde vor Ostern überraschend eingestellt. Nahles war danach in der SPD stark unter Druck geraten. Die hessischen Jusos forderten ihren Rücktritt.

Im „Tagesspiegel“ verteidigte Gabriel seine Generalsekretärin gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Diese habe richtig entschieden und habe seine „volle Rückendeckung“, sagte er. Verantwortlich für die Einstellung des Verfahrens war nach seiner Ansicht das Schiedsgericht von Sarrazins Berliner Kreisverband.

Das Schiedsgericht habe dem früheren Berliner Finanzsenator dessen Versicherung geglaubt, dass er keineswegs der „unseligen Verbindung des Genetischen mit dem Sozialen“ das Wort reden wolle. Aus Sicht des Gremiums sei damit ein SPD-Ausschluss nicht mehr infrage gekommen, „auch wenn ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte“, argumentierte Gabriel.

Nahles und die Vertreter der anderen Antragsteller hätten in dieser konkreten Situation entscheiden müssen: „Entweder endlos weiter prozessieren oder dem Willen der Schiedskommission folgen und die Erklärung als Einigungsgrundlage akzeptieren.“

Der Bundesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation, Sascha Vogt, wandte sich im Südwestrundfunk gegen die Rücktrittsforderung der hessischen Jusos. Eine Personaldebatte helfe nicht weiter. Wohl aber müsse in der nächsten Sitzung des Parteivorstandes klar gemacht werden, dass sich die Sozialdemokraten „deutlich von allem, was Thilo Sarrazin in seinen Thesen vertritt, distanzieren“.

Der Gründer des „Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten“, Sergey Lagodinsky, warf der SPD Versagen in der Integrationspolitik vor. Auf der Bundesebene fehle der Mut, die Vision einer „Vielfalts-Gesellschaft“ offensiv zu verteidigen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Lagodinsky war nach dem gescheiterten Ausschlussverfahren gegen Sarrazin aus der SPD ausgetreten.

Auch darüberhinaus wächst die Welle der Kritik an der Beendigung des Parteiausschlussverfahrens. Bis Donnerstagabend haben rund 3000 Menschen die „Berliner Erklärung“ im Internet unterzeichnet, etwa jeder sechste von ihnen lebt in der Bundeshauptstadt. Die Erklärung kritisiert den „Zickzackkurs der Partei“ in Sachen Sarrazin.