Auch auf dem Flughafen darf demonstriert werden
Karlsruhe urteilt, dass ein privater Betreiber an Grundrechte gebunden sein kann.
Karlsruhe. Julia Kümmel gehört zu einer Initiative, die sich gegen die Abschiebung von Ausländern unter Mitwirkung privater Fluggesellschaften wendet. Mit anderen Mitstreitern verteilte sie daher im Frankfurter Flughafen Flugblätter, um auf dieses Anliegen hinzuweisen. Die Flughafenleitung verbot ihr das und drohte mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.
So geht das nicht, urteilte nun das Bundesverfassungsgericht, denn: Es habe sich um eine von der Versammlungsfreiheit garantierte Demonstration gehandelt. Inhaltlich fanden die Richter deutliche Worte: Die Meinungsfreiheit könne nicht mit dem Hinweis darauf eingeschränkt werden, dass der Flughafenbetreiber eine „Wohlfühlatmosphäre“ in einer reinen Welt des Konsums schaffen wolle, die von politischen Diskussionen frei bleibe.
Rechtlicher Haken des Falles war vor allem dies: Der Betreiber des Flughafens, die Fraport AG, ist eine Aktiengesellschaft. Und als Privatunternehmen muss man es sich normalerweise nicht gefallen lassen, dass ein anderer auf seinem Gelände demonstriert. Um es plastisch zu sagen: Kein Hauseigentümer muss dulden, dass eine Demo in seinem Vorgarten stattfindet. Die Grundrechte richten sich gegen den Staat, nicht gegen Private.
Allerdings: Die Fraport AG ist zwar eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, aber in öffentlicher Hand. Dazu sagen die Richter: „Die Grundrechtsbindung trifft auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.“ Bei der Fraport AG sind 52 Prozent der Anteile in Händen des Landes Hessen beziehungsweise der Stadt Frankfurt. Da muss sie sich auch als privates Unternehmen gefallen lassen, dass Bürger sich gegenüber ihr die Grundrechte berufen.
Einer der acht Richter war mit dem Urteil nicht einverstanden. In einem Sondervotum, das allerdings nichts an der Verbindlichkeit der Entscheidung ändert, schrieb Wilhelm Schluckebier unter anderem: „Eine bloß geringfügige Beeinträchtigung kann in den Abfertigungshallen eines Großflughafens schnell in eine erhebliche Betriebsstörung umschlagen, die dann bei Schließung bestimmter Bereiche wegen der dichten Vernetzung des Luftverkehrs auf viele andere Flughäfen und deren Passagiere überwirken kann.“
Auf einem Großflughafen habe eine Demonstration und die durch sie bewirkte mögliche Störung ganz andere Dimensionen als bei einer Versammlung auf der Straße.
Auch die anderen Richter gestehen dem Flughafenbetreiber zu, gegebenenfalls einschränkende Regelungen zu treffen. Ein generelles Demo-Verbot wie das hier ausgesprochene widerspreche aber der Verfassung.