Hamburg als Weckruf für das Superwahljahr

Hamburg/Berlin (dpa) - Ob Triumph oder Debakel - nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg blicken alle Parteien mit Zuversicht und Hoffnung auf das Superwahljahr. Die Bundes-SPD will nach dem Vorbild des Hamburger Wahlsiegers Olaf Scholz künftig stärker mit Wirtschaftsthemen punkten.

Die CDU sieht in ihrer dramatischen Niederlage lediglich ein lokales Ereignis und will das Vertrauen der Bürger bei den kommenden sechs Landtagswahlen mit Verlässlichkeit gewinnen. FDP und Linke spüren neuen Schwung, und die Grünen halten trotz des leichten Dämpfers an ihren ehrgeizigen Zielen fest.

Der künftige Bürgermeister Scholz, der die Hansestadt allein regieren kann, will die Amtsübernahme rasch vorbereiten. „Die Arbeit beginnt jetzt“, sagte er am Montag am Rande der SPD-Gremiensitzungen in Berlin. Für ihn sei wichtig, dass die Menschen, die am Sonntag erstmals SPD gewählt hätten, nicht enttäuscht würden. Deshalb komme es darauf an, Wirtschaftskompetenz und sozialen Zusammenhalt eng zu verknüpfen. Diese Begriffe seien keine Gegensätze.

Die SPD hatte zum Auftakt des Wahljahres bei der vorgezogenen Bürgerschaftswahl mit 48,3 Prozent und 62 der 121 Sitze die absolute Mehrheit der Mandate bekommen. Die CDU erzielte nach dem vorläufigen Ergebnis mit 21,9 Prozent ihr schwächstes Wahlergebnis seit Kriegsende in Hamburg. Die Grünen legten leicht auf 11,2 Prozent zu, auch FDP (6,6) und Linke (6,4) sind in der neuen Bürgerschaft vertreten. Die Wahlbeteiligung war mit 57 Prozent noch niedriger als 2008 (63,5).

Das Hamburger Ergebnis habe viel mit dem Verlust von Vertrauen in die CDU zu tun, analysierte Parteichefin Angela Merkel in Berlin das Fiasko ihrer Partei. Sie nannte vor allem den Rückzug des CDU-Bürgermeisters Ole von Beust im Sommer 2010. „Die Tatsache, dass Ole von Beust (..) zurückgetreten ist und an Christoph Ahlhaus das Amt des Bürgermeisters übergeben hat, hat viele Wählerinnen und Wähler sicherlich enttäuscht.“ Diese Personalie sowie die umstrittene schwarz-grüne Schulpolitik hätten zu einem Vertrauensverlust geführt.

Koalitionen mit den Grünen im Bund schloss Merkel erneut aus. Auf Landesebene sei eine solche Zusammenarbeit schwieriger geworden. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, schwarz-grüne Bündnisse seien „für die Union eine nicht auszuhaltende Belastung“. Mit Blick auf Koalitionen von Union und FDP sagte er: „Ich glaube, es gibt in absehbarer Zeit nur dieses Bündnis.“

SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte die enge Verknüpfung von Wirtschafts- und Sozial-Kompetenz als einen Hauptgrund für das „glänzende Ergebnis“ der Parteifreunde an der Elbe. Dazu gehöre auch eine seriöse Finanzpolitik, sagte er in Berlin. Die SPD insgesamt müsse sich stärker daran orientieren, die Alltagssorgen der Bevölkerung ins Auge zu fassen und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. Dabei könne die Partei von dem Hamburger Wahlausgang lernen. Es gebe eine gute Tradition in der Partei, Sozialdemokratie und Liberalismus zusammenzubringen. Von diesen Werten habe sich die heutige FDP verabschiedet, meinte Gabriel.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sieht seine Partei nach der Hamburg-Wahl für den Rest der Wahljahres gut gerüstet. Er sprach am Montag von „Rückenwind“. Die Rückkehr in die Hamburger Bürgerschaft sei ein Beweis dafür, dass die FDP Erfolg habe, wenn sie kämpferisch, engagiert und geschlossen auftrete. Die Liberalen sitzen nun erstmals seit 1993 in allen 16 Landtagen.

Zur Debatte über seine eigene Rolle sagte Westerwelle: „Ich finde, dass dies auch ganz persönlich ein erfrischender Sonntag war.“ Der FDP-Vorsitzende will sich erst nach den Landtagswahlen im März in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg öffentlich darauf festlegen, ob er beim Parteitag im Mai erneut für das Spitzenamt kandidiert. Anfang des Jahres stand er auch innerparteilich massiv in der Kritik. Mehrere FDP-Politiker legten ihm nahe, sich auf das Amt des Außenministers zu konzentrieren.

Die Grünen halten trotz der Oppositionsrolle in Hamburg an ihren Zielen für kommende Wahlen fest. „Wir haben hohe Hürden vor uns“, sagte Parteichefin Claudia Roth. „Wir messen unseren Wahlerfolg nicht an den Umfrageergebnissen“, betonte der Co-Vorsitzende Cem Özdemir. „Wir messen unsere Ergebnisse am letzten Wahlergebnis.“ In Hamburg hatten Demoskopen die Grünen auf rund 15 bis 20 Prozent taxiert. Mit 11,2 Prozent landeten sie - trotz leichter Steigerung des Ergebnisses von 2008 - deutlich dahinter.

Özdemir bekräftigte die grünen Wahlziele, in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern in die Landtage einzuziehen, wo die Partei bislang nicht vertreten ist. „Wenn wir das am Ende des Jahres geschafft haben, dass wir in allen 16 Bundesländern (im Landtag) vertreten sind, dann ist das ein Hammer.“ In Baden-Württemberg wolle man auf „20 Prozent plus“ kommen und die Wahl zu einer Richtungsentscheidung machen.

Auch die Linke schaut den kommenden Landtagswahlen zuversichtlich entgegen. „Für uns als Partei ist das ein gelungener Auftakt für das Wahljahr 2011“, sagte Parteichefin Gesine Lötzsch. In den vergangenen Monaten hatte sich die Linke vor allem mit parteiinternen Querelen beschäftigt. Angesichts dessen gab es auch in den eigenen Reihen Befürchtungen, man könne die selbst gesteckten Ziele bei den Landtagswahlen verfehlen. In Sachsen-Anhalt will die Linke am 20. März stärkste Partei werden und - möglichst in einer Koalition mit der SPD - den Ministerpräsidenten stellen.

Hamburgs Noch-Bürgermeister Christoph Ahlhaus und der CDU-Landesvorsitzende Frank Schira machten nach dem Debakel den Weg frei für einen Neuanfang. Schira kündigte am Abend seinen Rücktritt an. Ahlhaus erklärte, in der Fraktion keinen Anspruch auf den Posten des Oppositionsführers zu erheben.

Nach Einschätzung der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen war der Urnengang in Hamburg kein echter bundesweiter Stimmungstest und kein Signal für das Superwahljahr.