Polizeigewerkschaften Auf dem Zahnfleisch

Es fehlt an Polizeibeamten - bei der Behebung der Personalnot im Rahmen des Flüchtlingsansturms sind sich die Polizeigewerkschaften uneins.

Polizeigewerkschaften: Auf dem Zahnfleisch
Foto: Jörg Knappe

Berlin. Auf sie kommt es in diesen Wochen ganz besonders an - auf die Polizeibeamten der Länder und des Bundes. Sie helfen bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms, sie müssen Unterkünfte schützen und Auseinandersetzungen unter Asylsuchenden schlichten. Überall in Deutschland gehen die Beamten inzwischen auf dem Zahnfleisch, weil Personalmangel herrscht. Wie die Not behoben werden könnte, darüber sind sich selbst die Polizei-Gewerkschaften nicht einig.

Allein in Baden-Württemberg, so gestern in Berlin der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, habe es von August 2014 bis August 2015 an die 2000 Einsätze rund um Heime gegeben, in Hamburg seien es 1000 gewesen. Aus Bayern, berichtete Wendt weiter, würden ihn immer mehr Klagen über die immense Belastung insbesondere an den Wochenenden erreichen. Hinzukämen Fußball, Rocker, Salafisten. "Da gehen Familien kaputt", so Wendt. Ähnliches hört man auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der anderen Interessenvertretung der Beamten. Man müsse bereits Aufgaben vernachlässigen, so kürzlich der stellvertretende Bundesvorsitzende der GdP, Arnold Plickert: "Die jetzige Lage ist durch die Polizei nur noch dadurch zu stemmen, dass meine Kolleginnen und Kollegen Millionen von Überstunden leisten." Laut Wendt nehmen die Konflikte zu. So sei die Zahl der Schlägereien in den Unterkünften gestiegen. Darüber hinaus würden auch Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime "größer und aggressiver". Die Polizei - am Rande ihrer Möglichkeiten.

Doch was tun? "Wir brauchen jetzt schnell eine Entlastung, das wird Geld kosten", so Wendt. Er forderte bundesweit 15000 neue Planstellen für die Länderpolizeien. Doch weil diese Posten erst nach intensiver Ausbildung in eine paar Jahren zur Verfügung stehen, müssten weitere 15000 Tarifbeschäftigte eingestellt werden, "die uns kurzfristig helfen können". Solche Angestellte im Polizeidienst gibt es bereits: In Berlin beispielsweise dauert die Ausbildung 16 Wochen, danach wird man zum Objektschutz eingesetzt, man kann Kontrollen durchführen und Transporte vornehmen. Analog dazu verlangte Wendt, für die Bundespolizei 1000 zusätzliche "Bundespolizeiliche Unterstützungskräfte" einzustellen. Sie benötigen nur eine Ausbildung von wenigen Monaten und könnten dann die überlasteten Beamten bei der Grenzsicherung unterstützen.

Doch die GdP hält von alledem nichts. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Jörg Radek sagte gestern unserer Zeitung: "Wir haben keinen Bedarf an Billiglösungen. Arbeitmarktpolitisch ist das ein Flop." Speziell bei der Bundespolizei seien die Unterstützungskräfte jenseits des Verwaltungsbereiches keine große Hilfe. Laut Radek ist es sinnvoller, den Zoll stärker zur Entlastung der Bundespolizei heranzuziehen. Das sei rechtlich möglich. Außerdem müsse man speziell Feldjäger von der Bundeswehr anwerben und verkürzt ausbilden. Es ist nicht das erste Mal, dass beide Gewerkschaften über Kreuz liegen - Stichwort Bannmeile um Flüchtlingsheime, die Wendt gefordert und die GdP abgelehnt hatte.