Auf Wowereit folgt Müller: Deutliches Votum der Berliner SPD-Basis

Berlin. Der Erste kommt zuletzt. Während seine beiden Konkurrenten schon nach den Ursachen ihrer Niederlage gelöchert werden, trifft Michael Müller in der Berliner Landeszentrale der SPD ein und kann es offenbar selbst noch nicht recht fassen.

Seit Samstag steht fest: Michael Müller (r) wird Nachfolger von Klaus Wowereit (l) in Berlin.

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"Ich freu mich wahnsinnig, aber ich muss auch sagen, ich bin ganz platt", ruft er Parteifreunden und Journalisten zu.

Dass sich der 49jährige Bausenator beim Mitgliedervotum über die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) am Ende durchsetzen würde, war allgemein erwartet worden. Aber die meisten hatten mit einem zweiten Wahlgang gerechnet. Bei der internen Auszählung der rund 11.000 eingegangen Wahlzettel stellt sich jedoch schnell heraus, dass Müller gleich im ersten Anlauf mit absoluter Mehrheit die Nase vorn hat.

Fast 60 Prozent der Berliner Sozialdemokraten, die sich an der Befragung beteiligt haben, stimmen für ihn. Die Verlierer, Landespartei-Chef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh bringen es gerade einmal auf 20,8 beziehungsweise 18,6 Prozent. Wer spät kommt, den belohnt der Wähler. "Ich bin da ja so bei euch reingegrätscht", kommentiert Müller seinen Triumph mit Humor. Schließlich hatte er seine Kandidatur erst angemeldet, als sich Stöß und Saleh schon im Zweikampf wähnten.

Müller wer? So dürfte man sich indes außerhalb der Hauptstadt fragen. Klaus Wowereit, den bekennenden Schwulen und Schöpfer des Hauptstadt-Mottos "Arm, aber sexy", kennt inzwischen wohl fast jeder interessierte Zeitgenosse. Dagegen ist Müller bundesweit ein unbeschriebenes Blatt und auch ansonsten von anderem Naturell: Nüchterner Arbeiter statt "Regierender Partymeister", graue Maus statt Glamourfaktor.

Mit ihm wird sich Berlin zweifellos an einen unspektakulären Regierungsstil gewöhnen müssen. Dabei galt Müller eigentlich immer als Wowereits Kronprinz. Die beiden sind enge politische Wegefährten. Als Wowereit 2001 den CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen ablöste, wurde Müller SPD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus. Drei Jahre später übernahm er auch noch den Landesvorsitz der Partei. 2011 zog es Müller in die Landesregierung. Aus der rot-roten war eine schwarz-rote Koalition geworden und Müller wurde Senator für Stadtentwicklung.

2012 dann der tiefe Fall, als der gelernte Drucker und verheiratete Vater zweier Kinder in einer Kampfabstimmung den SPD-Landesvorsitz verlor. Als später auch noch die Pleite bei der Volkabstimmung über die von Müller verfochtene Randbebauung des Tempelhofer Feldes hinzukam, schien sein politischer Stern endgültig zu verglühen. Blass und führungsschwach, lauteten die gängigen Urteile.

Doch der gebürtige Berliner ging geschickt in die Offensive. Gerade mit seinem Langweiler-Image wusste er die Parteibasis beim jüngsten Kandidaten-Wettlauf zu überzeugen. Nach den wilden Wowi-Jahren zur Abwechslung mal verlässliche Sacharbeit, lautete die Ansage. Und das durchaus mit einem Schuss Selbstironie: "Mein Glamourfaktor hat noch Luft nach oben", urteilte Müller über Müller.

Dass er mit Jan Stöß ausgerechnet den Mann bei der Basisabstimmung bezwang, der ihn zwei Jahre zuvor vom SPD-Landevorsitz verdrängt hatte, dürfte Müller zusätzlich Selbstvertrauen geben. Das und noch viel mehr wird er gut gebrauchen können. Denn die Probleme in Berlin sind gewaltig. Explodierende Mieten, unzuverlässiger Nahverkehr und ein Pannenflughafen, mit dem sich die Hauptstadt deutschlandweit zum Gespött gemacht hat.

Müller weiß um die Verantwortung. Als er die Berliner Parteizentrale verlassen will, sucht er seinen Blumenstrauß. Ein Parteifreund reckt ihn in die Höhe und Müller wird für einen Moment nachdenklich: "Wer weiß, wann ich mal wieder Blumen kriege".