Deutschland & USA „Außenpolitik live“: „Transatlantisches Verhältnis ist wichtiger als die Person im Oval Office“

Der Transatlantiker Peter Beyer (CDU) plädiert bei „Außenpolitik live“ von Auswärtigem Amt und WZ dafür, die Kommunikationskanäle nicht abreißen zu lassen.

Einblicke in die diplomatischen Bemühungen zwischen Deutschland und den USA: Peter Beyer (CDU; links) steht WZChefredakteurUlli Tückmantel in Ratingen Rede und Antwort. Foto: Melanie Zanin

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Ratingen. „Die Stimmung ist ziemlich mies.“ Die Einschätzung von Peter Beyer (CDU), Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, bezog sich auf das jüngste Umfrageergebnis, wonach 82 Prozent der Deutschen die USA nicht mehr als verlässlichen Partner einschätzen. Gar nicht mies, sondern engagiert und gleichzeitig locker war dagegen die Stimmung am Montagabend im Angersaal der Ratinger Stadthalle. Rund 50 Gäste verfolgten Beyers Einblick in die diplomatischen Bemühungen zwischen Deutschland und den USA im Rahmen der Kooperationsveranstaltung „Außenpolitik live“ von Auswärtigem Amt und Westdeutscher Zeitung (WZ). Beyers Credo: „Das transatlantische Verhältnis ist wichtiger als die Person im Oval Office.“

Ja, auch der Ratinger Bundestagsabgeordnete berichtet von der „Schockstarre“ nach der Trump-Wahl, auch er erzählt von den Schwierigkeiten mit der Sprunghaftigkeit des amerikanischen Präsidenten. „Und auch bei mir ist der Lernprozess noch nicht ganz abgeschlossen.“ Aber der Jurist mit langjähriger USA-Erfahrung beharrt im Gespräch mit WZ-Chefredakteur Ulli Tückmantel darauf: „Sie dürfen die Kommunikationskanäle nicht abreißen lassen.“

Ein kleines äußeres Zeichen: Beyer wird in seinem transatlantischen Ehrenamt (wie übrigens auch der Russland-Koordinator) im Auswärtigen Amt künftig mit einer zusätzlichen Stelle unterstützt. Bekenntnis dazu, dass die Amerikaner „weiter unsere engsten Freunde außerhalb Europas sind“. Und bei der Suche, was überhaupt noch gut läuft zwischen den beiden Staaten, fällt ihm nicht nur die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste ein. Seine These: Nach dem Brexit wird Großbritanniens Bedeutung für die USA sinken und gleichzeitig Deutschlands Bedeutung steigen.

Trotzdem: An vielen Stellen zeigt sich, wie sehr die deutsche Diplomatie noch um den rechten Weg im Umgang mit der US-Regierung ringt. Denn nicht nur Trump, sondern auch der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, sorgt für einen völlig neuen Politikstil. „Er hat einen direkten Draht zu Trump und hat seine drei bis vier Missionen, die er zu erfüllen hat.“ Dazu zähle die Reduzierung des Handelsdefizits mit Deutschland sowie das Drängen auf größeres Engagement in Sicherheitsfragen und klare Pläne auf dem Weg hin zum Zwei-Prozent-Ziel bei den jährlichen Rüstungsausgaben. Auf Tückmantels provokative Frage, ob der neue US-amerikanische Haudrauf-Stil nicht auch für überfällige Bewegung in erstarrten Prozessen sorge, entgegnet Beyer: „Ich halte dieses Vorgehen für hoch risikobehaftet.“ Es gehe nicht nur um Geld und Jobs, sondern auch um Fragen von Krieg und Frieden.

In der Wahlnacht im November 2016 nahm Beyer erst in den frühen Morgenstunden die Trump-Wahl ernst. Inzwischen hält er selbst eine zweite Amtszeit nicht mehr für unrealistisch. Und schildert immer wieder den Spagat, die Verbindung zu den USA nicht abreißen zu lassen und zugleich den europäischen Zusammenhalt zu stärken. „500 Millionen Menschen - wir sind wer.“ Das gelte gerade in der Frage des drohenden Handelskrieges. „Ich rechne fast schon damit, dass Importzölle auf deutsche Autos kommen.“ Aber ein solcher Handelskrieg werde auf beiden Seiten Milliardenverluste zur Folge haben und zahlreiche Jobs kosten. „Und irgendwann müssen wir doch wieder am Verhandlungstisch sitzen.“ Daher seien alle Bemühungen, eine Eskalation zu verhindern, gerechtfertigt.

Deutschland steht nach Beyers Einschätzung vor einer Gratwanderung: Einerseits müsse die deutsch-französische Achse im kurzen Zeitfenster der nächsten drei Jahre entscheidende Weichenstellungen für ein stärkeres Europa vornehmen. Andererseits sei ein starkes Deutschland nicht beliebt. Angela Merkel habe schon ihre klaren Vorstellungen für Europa. „Aber dafür werden wir nicht nur Applaus bekommen.“