Bautzener Bundestagsabgebgeordnete im Interview "Bautzen ist schon ein Extremfall"
Linken-Abgeordnete Lay: Stadt darf nicht zum Wallfahrtsort für Neonazis werden.
Berlin. Die ostsächsische Stadt Bautzen ist seit Tagen Schauplatz von zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und Flüchtlingen. Bereits im Februar brannte dort eine Asylbewerberunterkunft. Im Monat darauf wurde Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch in Bautzen beschimpft. Was läuft da schief? Stefan Vetter sprach darüber mit der Bautzener Bundestagsabgebgeordneten und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken, Caren Lay:
Frau Lay, warum immer wieder Bautzen?
Caren Lay: Schon seit Jahren ist bekannt, dass Bautzen ein Problem mit rechter Gewalt und rassistischen Einstellungen hat. Leider wurde dieses Problem sehr lange negiert. Das ist auch deshalb tragisch, weil die jüngsten Ereignisse das gute Engagement des parteilosen Bürgermeisters Alexander Ahrens und vieler anderer Bürger für ein offenes, tolerantes Bautzen zunichte gemacht haben.
Ist die Stadt eine Hochburg der Neonazis?
Lay: Das lässt sich nicht bestreiten. Schon vor Jahren gab es einen spontanen Fackelaufmarsch von rund 400 Neonazis. Es gab Angriffe auf das Bürgerbündnis 'Bautzen bleibt bunt`, und es gab auch bereits neun Angriffe auf mein Bürgerbüro. Insofern ist Bautzen schon ein Extremfall.
Bei der sächsischen Landtagswahl vor zwei Jahren votierte jeder vierte Wähler in Bautzen für die AfD beziehungsweise NPD. Hat da nicht auch Ihre Partei versagt?
Lay: Diese Frage müssen sich alle demokratischen Parteien stellen, auch wir. Bislang wissen wir, dass die meisten AfD-Stimmen aus dem Lager der Nichtwähler kommen, dann von der CDU, der SPD und an vierter Stelle von uns. Unsere Aufgabe als Linke ist es, aufzuzeigen, dass die AfD keine soziale, sondern eine neoliberale Politik macht, die zu Lasten der Schwächsten geht.
Auslöser der jüngsten Gewalt sollen Beleidigungen und Flaschenwürfe von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen gewesen sein. Können Sie das bestätigen?
Lay: Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht vor Ort. Es scheint zutreffend zu sein, dass zwar die erste Flasche von Flüchtlingen geschmissen wurde, aber nachdem sie von 80 Rechten belagert und provoziert wurden, die nur deshalb auf den Kornmarkt kamen, um gezielt gegen die Anwesenheit der Flüchtlinge zu demonstrieren. Nur von provozierenden Flüchtlingen zu reden, ist deshalb auch nur die halbe Wahrheit.
Jetzt haben diese Flüchtlinge ein striktes Alkoholverbot. Hat sich vorher keiner um sie gekümmert?
Lay: Das kann ich nicht beurteilen. Wahr ist wohl, dass es ebenso wie minderjährigen Deutschen auch minderjährigen Flüchtlingen immer wieder gelingt, an Alkohol zu kommen. Den Flüchtlingen einseitig jetzt den Zutritt zum Kornmarkt in der Innenstadt zu verwehren, ist allerdings auch keine Lösung.
Warum nicht?
Lay: Es gibt auch stadtbekannte Neonazis, die dort provoziert haben. Da wäre es geboten, auch ihnen Platzverweise zu erteilen. Für den Moment ist es dringend notwendig, dass genügend Polizei in Bautzen ist, die sich dann auch klar gegen Rechts positionieren muss. Nur so lässt sich verhindern, dass die Stadt zum Wallfahrtsort für Rechtradikale und Neonazis wird.