Kompromiss in letzter Minute Bund und Länder einigen sich auf Erbschaftsteuer-Reform
Berlin (dpa) - Bund und Länder haben sich nach monatelangem Streit auf einen Kompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer geeinigt - und wollen damit auch vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen.
Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verständigte sich in der Nacht zu Donnerstag in Berlin auf die künftigen Regeln für Steuerprivilegien von Firmenerben. Sie sollen auch künftig vom Fiskus verschont werden, wenn sie das Unternehmen längere Zeit fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Auf Druck des Bundesverfassungsgerichts wurden die Vorgaben aber verschärft.
Dem Vorschlag der Vermittler müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen - voraussichtlich in der nächsten Woche. Bei einer endgültigen Zustimmung wäre ein erneuter Eingriff des Bundesverfassungsgerichts vorerst vom Tisch. Die Regierungschefs mehrerer Länder gehen davon aus, dass die Vorgaben der Karlsruher Richter erfüllt wurden. Kritiker von Grünen, SPD und Linken bezweifeln dies. Wirtschaftsverbände reagierten erleichtert.
Der Vermittlungsausschuss hatte sich praktisch in letzter Minute mehrheitlich auf den Kompromiss verständigt - kurz vor Ablauf einer letzten, vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist. Dieses hatte die Privilegien für Firmenerben Ende 2014 als zu weitgehend gekippt und schärfere Regeln verlangt.
Die SPD reklamiert für sich, im Vermittlungsverfahren „einige wesentliche Kritikpunkte“ am bisherigen Gesetzentwurf beseitigt zu haben. Die Grünen im Bundestag wollen den Kompromiss nicht mittragen. Dies gefährdet aber nicht die Mehrheit. Die Grünen auf Länderebene könnten mitziehen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen wertete die Einigung als „guten Kompromiss“. Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), sagte nach den siebenstündigen Verhandlungen: „Das ist ein gutes Zeichen, dass wir unterschiedliche Positionen zusammengebracht haben.“ Er lobte wie Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU), dass die Politik handlungs- und entscheidungsfähig sei und ein Eingreifen des Verfassungsgerichts verhindert werde.
Nach Worten des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD) wurden nicht alle Erwartungen erfüllt. Es sei aber ein tragfähiger Kompromiss. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte: „Große Vermögen müssen zukünftig angemessen besteuert werden.“ Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeigte sich „sehr zufrieden“. Linken-Chef Bernd Riexinger sprach von einem „Kniefall (...) vor den reichsten Sprösslingen in diesem Land“.
In der am stärksten umstrittenen Frage der Unternehmensbewertung gibt es nun eine andere Berechnungsformel. Einigung besteht auch über die Stundungsregel: Ist ein Erbe finanziell überfordert, kann die fällige Steuer nicht mehr für zehn Jahre gestundet werden, sondern nur für sieben Jahre. Zudem werden vom zweiten Jahr an Zinsen fällig. Bei einem großen Firmenvermögen ab jeweils 26 Millionen Euro kann der Erbe die Steuerschuld aus seinem Privatvermögen begleichen oder der Erlass wird „abgeschmolzen“. Keine Verschonung wird gewährt ab einem Erbe von 90 Millionen Euro.
Für Familienunternehmen mit Verfügungsbeschränkungen ist ein klar definierter Steuerabschlag möglich. Vereinbart wurden auch Regeln, um Steuertricks zu vermeiden. Verhindert wurde zudem eine Begünstigung für Luxusgegenstände, die zum Firmenvermögen gehören.
Aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) werden die eigentümer- und familiengeführten Unternehmen deutlich mehr belastet, als zugesagt. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, zeigte sich erleichtert, dass eine Einigung erzielt wurde. Ähnlich äußerten sich Vertreter der Familienunternehmen. Allerdings könne die Steuerlast für viele der großen Familienunternehmen auch deutlich steigen.