Verbessern statt abschaffen Bundesagentur-Chef: Hartz-Kritiker führen „Geisterdebatte“

Berlin (dpa) - Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, wendet sich vehement gegen eine Abschaffung von Hartz IV. Zugleich mahnt er Änderungen an der Grundsicherung an.

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„Konkrete Verbesserungsvorschläge habe ich in der aktuellen Debatte bisher nicht gehört“, sagte Scheele der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Das ist eine Geisterdebatte.“ Wer die Grundsicherung abschaffen wolle, solle sagen, was konkret an deren Stelle treten solle, so Scheele unter anderem mit Blick auf Äußerungen aus der SPD.

Es gebe Verbesserungsmöglichkeiten, so der BA-Vorstandsvorsitzende, der zuvor SPD-Arbeitssenator in Hamburg war. Heute gebe die BA 62 Prozent für die Verwaltung und 38 Prozent für die aktiven Maßnahmen zugunsten der Arbeitslosen aus. „So kann es nicht bleiben. Der Gesetzgeber muss hier etwas tun.“ Pauschalen und einheitliche Anrechnungsvorschriften könnten die Grundsicherung stark entbürokratisieren. „Von uns und anderen gibt es dazu ganze Kataloge mit Vorschlägen.“

Scheele begrüßte grundsätzlich die Debatte, ob das Hartz-Gesetz SGB II nach 15 Jahren noch genauso passe oder verändert werden solle. „Mich erstaunt, dass Einzelne vehement sagen, am Ende ist Hartz IV weg.“ Das System sei besser als sein Ruf. „Ich will nichts schön reden.“ So sei es schwer, vom Regelsatz für Alleinstehende von 416 Euro zu leben. Aber die Vermittlungen stiegen. „Seit 2007 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 40 Prozent gesunken. Die Zahl der Leistungsbezieher hat sich seitdem um 17 Prozent reduziert.“ Gründe seien die gute Wirtschaftslage, aber auch die Grundsicherung.

„Meine Organisation zahlt jeden Monat für 5,9 Millionen Menschen verlässlich eine Leistung aus.“ Nicht alle in der aktuellen Debatte könnten offenbar wertschätzen, was ein Dach über dem Kopf und pünktliche Grundsicherung bedeute.

Scheele schlug Änderungen vor: „So sollte die Umschulung für Menschen ohne Erstausbildung von zwei auf drei Jahre verlängert werden.“ Geringqualifizierte könnten dann besser eine Ausbildung abschließen. Die Regeln der Hinzuverdienstgrenzen könnten vereinfacht werden. „Bei den Sanktionen sollte man die Jugendlichen gleich behandeln wie die Erwachsenen und nicht härter sanktionieren“, verlangte er zudem. Erfolgversprechender Qualifizierung könne zunächst Vorrang vor Vermittlung in Helfertätigkeit gegeben werden.

Solche Vorschläge könnten „möglicherweise sogar innerhalb der Koalition auf Konsens treffen“, sagte Scheele. „Da gibt es Brücken, über die alle gehen können, wenn es um die schrittweise Verbesserung des Systems geht.“

Vom linken SPD-Flügel waren vor dem SPD-Parteitag in Wiesbaden, bei dem Andrea Nahles am Sonntag zur neuen Vorsitzenden gewählt werden soll, Rufe nach Alternativen zu Hartz IV gekommen. Auch die Linke will Hartz IV in seiner heutigen Form abschaffen.

Peter Hartz, Architekt der nach ihm benannten Arbeitsmarktreform, kritisierte den Vorschlag eines „solidarischen Grundeinkommens“ von Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD). „Es wäre ein Salto rückwärts“, sagte der 76-Jährige der „Bild“-Zeitung (Samstag). „Wir haben mit der Reform gerade die Erwerbslosen aus der Sackgasse geholt und ihnen den Arbeitsmarkt geöffnet. Sie würden jetzt wieder als zweitklassig eingestuft.“ Auch Hartz mahnte aber eine Weiterentwicklung der Grundsicherung an.

Scheele sagte: „Wenn Politik nicht mehr Hartz IV sagen würde, sondern Grundsicherung, wäre schon etwas gewonnen.“ Der Begriff sei so schlecht beleumundet, dass ein anderer besser wäre.

FDP-Chef Christian Lindner sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) mit Blick auf die Hartz-Gesetze: „Leider hat die SPD das Trauma Agenda 2010 nicht überwunden.“