Zu Besuch in der "Gauck-Behörde" Bundespräsident Gauck: "Die DDR war kein lustiger Themenpark"
Joachim Gauck beginnt seine Abschiedstournee an seiner ersten Wirkungsstätte - bei den Stasi-Unterlagen.
Berlin. Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, versucht dem guatemaltekischen Botschafter zu erklären, wie das mit den Stasi-Karteikarten funktioniert hat, aber er kommt nicht weit. "Es ist schön, einen Experten dabei zu haben", sagt Jahn etwas pikiert und übergibt das Wort an einen, der schon drängelt. Das ist Joachim Gauck, derzeit Bundespräsident, aber davor zehn Jahre lang der erste Chef dieser Behörde, die anfangs seinen Namen trug ("Gauck-Behörde"). "Zeigen Sie doch mal so eine Registriernummer", sagt Gauck zu einem der Mitarbeiter und übernimmt mehr oder weniger das Kommando des Rundganges.
Mit einer Rückkehr zu seinen Wurzeln beginnt der 76jährige seine Abschlusstournee. Der Nachfolger, Frank-Walter Steinmeier, steht zwar schon so gut wie fest, die Wahl ist am 12. Februar. Allerdings endet die Amtszeit jedes Bundespräsidenten nicht mit der Wahl oder Vereidigung des nächsten, sondern laut Grundgesetz erst nach fünf Jahren. Das wäre der 23. März. Die Übergabe soll freilich schon am 19. März erfolgen. Über einen Monat lang wird damit auch Deutschland zwei Präsidenten haben wie die USA, einen amtierenden und einen "president elect", eine gewählten.
Bis dahin hat Gauck noch ein ziemlich umfangreiches Restprogramm vor sich. Nächsten Mittwoch will er im Schloss Bellevue eine Rede halten, in der er die Erfahrungen seiner Amtszeit auswerten will. Das ist der wichtigste Termin, denn es wird seine letzte große politische Botschaft sein. Es folgen noch einige Auslandsreisen. In Paris ist ein Treffen mit Präsident Hollande geplant, dazu eine Ansprache in der Académie Francaise, die erste eines deutschen Staatsoberhauptes überhaupt an diesem ehrwürdigen Ort.
Auch Lettland und Spanien stehen noch auf dem Reiseplan. Und ein Besuch in Maastricht am 7. Februar zum 25. Jahrestag des gleichnamigen Vertrages. Dort ist Europas Zukunft das Thema. Im Inland wird Mecklenburg-Vorpommern den letzten Länder-Besuch des amtierenden Bundespräsidenten erleben, es ist sein Heimatland.
Im Kartei-Saal der Stasi-Unterlagenbehörde fragt man sich, warum der Mann eigentlich aufhört, so vital tritt er auf. Er kennt die Mitarbeiter, die ihm vorgestellt werden, zwar nicht persönlich, obwohl man extra welche ausgesucht hat, die schon über 20 Jahre dabei sind. "Hier hab ich früher nicht gesessen", entschuldigt sich Gauck. Aber er kennt ihre Arbeit genau und lässt Grüße an alle ausrichten. Am ausführlichsten noch redet er mit Sabine Ehrlich, die in der Auskunft arbeitet. Sie berichtet, wie belastend es ist, Menschen zu begleiten, die aus den Akten zum ersten Mal erfahren, wer sie bespitzelt, wer ihre Beziehungen und ihre Lebensperspektive damals zerstört hat.
Joachim Gauck nimmt das zum Anlass, um ganz ungefragt in die Kameras zu sagen: "Die DDR war kein Themenpark, wie heute manche tun. Das war eine sehr entschiedene, langlebige Diktatur". Dass die Bürgerrechtler damals Zugriff auf die Akten genommen hätten, vor fast genau 27 Jahren am 15. Januar 1990 mit dem Sturm der Stasi-Zentrale, sei zentral für die Aufarbeitung gewesen. Auch nach seiner persönlichen Gefühlswelt wird der Präsident gefragt.
Ob die Gauck-Behörde oder das Präsidentenamt für ihn das Wichtigere gewesen seien? Weder noch, lautet die überraschende Antwort. Sondern die Erfahrung der Wende. "Die Befreiung bleibt das zentrale Erlebnis meines Lebens" - und Gaucks zentrale Lebens-Botschaft.