Bundestag regelt Sicherungsverwahrung neu
Berlin (dpa) - Der Bundestag hat eine Neuregelung der umstrittenen Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher beschlossen. Stimmt der Bundesrat am 17. Dezember zu, kann das Gesetz zum Jahresbeginn in Kraft treten.
Künftig soll sich die Sicherungsverwahrung auf besonders gefährliche Schwerverbrecher konzentrieren, damit diese nach Verbüßung der Haftstrafe nicht automatisch in die Freiheit entlassen werden müssen. Für Betrüger oder Diebe soll die Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht mehr infrage kommen.
Neben dieser grundlegenden Neuordnung umfasst der am Donnerstag beschlossene Gesetzentwurf eine Regelung für die Täter, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009 entlassen werden müssen, obwohl sie noch als gefährlich gelten. Diese Menschen sollen möglichst in neuen Einrichtungen untergebracht werden, wenn sie „psychisch gestört“ sind. Zudem gibt es nun die Möglichkeit, Freigelassene mit elektronischen Fußfesseln zu überwachen.
Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) kündigte an, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen zu wollen. Es bestehe die Gefahr, dass die Maßnahme viel zu oft auch in Fällen angeordnet werde, in denen die Justiz eigentlich ohne sie auskomme, teilte er in Potsdam mit. Jedoch dürfte Brandenburg für die Einschaltung des Vermittlungsausschusses keine Mehrheit im Bundesrat bekommen. Zudem könnte die Länderkammer das Gesetz nur verzögern, nicht blockieren, denn das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig.
Bei der Sicherungsverwahrung bleiben besonders gefährliche Täter auch nach Verbüßung ihrer Strafe eingesperrt, um die Bevölkerung vor ihnen zu schützen. Die Sicherungsverwahrung gilt als schärfstes Schwert, das es im deutschen Strafrecht gibt. Der Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen von Union, FDP und SPD im Bundestag und gegen die Stimmen von Grünen und Linke verabschiedet.
Der Grünen-Politiker Jerzy Montag sprach von einer „Scheinreform“: „Die angekündigte Reform der Sicherungsverwahrung hält nicht das, was sie verspricht.“ Sie werde den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht gerecht - auch werde es nicht mehr Sicherheit für die Bürger vor chronischen Straftätern geben.
Der Linke-Rechtsexperte Wolfgang Neskovic kritisierte vor allem das Vorhaben, Tätern, die nach dem Straßburger Urteil entlassen werden mussten, wegen einer „psychischen Störung“ wieder einsperren zu wollen. „Die Europäische Menschenrechtskonvention lässt nur bei "psychisch Kranken" eine Unterbringung zu“, sagte er. Die Mehrheit der vom EGMR-Urteil betroffenen Täter sei eben nicht psychisch krank.
Dagegen verteidigten Union und FDP ihre Pläne: „Ich finde, jetzt liegt ein anspruchsvolles und ausgewogenes Gesamtkonzept vor, das sich durchaus sehen lassen kann“, sagte Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP). Ansgar Heveling (CDU) begrüßte, dass mit der Reform die so genannte vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausgebaut werde. Dabei behalten sich Richter in der Urteilsverkündung vor, für den Täter später noch eine Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Heveling räumte ein, dass nun viel Arbeit auf die Länder zukomme: Denn die sind dafür zuständig, den Teil des Gesetzes umzusetzen, mit dem wenigstens einige Täter wieder unter Kontrolle des Staates gebracht werden sollen, die nach dem EGMR-Urteil freikamen. Die SPD-Politikerin Christine Lambrecht sagte, die Länder müssten entsprechende Therapieangebote machen - zudem gebe es hohe Anforderung an die künftige Unterbringung der Betroffenen. „Da dürfen wir die Länder finanziell nicht im Regen stehen lassen“, sagte sie - auch der Bund sei hier gefragt.