GroKo-Krise Wie sich die Koalition in den Griff bekommen will

Berlin · In der aktuellen Krise sind Union und SPD bemüht, die Wogen zu glätten. Mancher SPDler kann die Schadenfreude jedoch nicht verbergen. Manche gießen sogar noch Öl ins Feuer.

Angela Merkel (CDU, r) mit Außenminister Heiko Maas (SPD, M) und SPD-Chefin Andrea Nahles.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Bemerkung von Regierungssprecher Steffen Seibert ließ keine Zweifel aufkommen: „Ein ganz klares Nein.“ Die Kanzlerin habe nicht die Absicht, wie von der Opposition gefordert die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen, meinte Seibert am Mittwoch zu Journalisten. Nach dem Kauder-Schock war die große Koalition vor allem darum bemüht, möglichst Ruhe zu bewahren und die Wogen zu glätten.

So auch die Kanzlerin selbst. Etwas angeschlagen aussehend, spulte sie am Morgen routiniert die Kabinettssitzung ab. Die überraschende Abwahl ihres Vertrauten Volker Kauder als Fraktionschef und die Wahl des bis dahin eher unbekannten Ralph Brinkhaus zum neuen Vorsitzenden sollte das Regierungshandeln bloß nicht beeinflussen. Zumal man eben noch öffentlich versprochen hatte, nach der Koalitionskrise um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen endlich zur Sacharbeit zurückkehren zu wollen.

So soll es auch bleiben, wie Brinkhaus nach seiner Wahl verdeutlichte. Am Mittwoch war er im Kanzleramt bei der üblichen Vorbesprechung der Unionsseite vor der Kabinettssitzung schon dabei. Ein längeres Gespräch mit Merkel sollte dann dem Vernehmen nach im Laufe des Tages stattfinden, um die politischen Schwerpunkte der kommenden Wochen zu bereden. Brinkhaus soll nun für Merkel die Mehrheiten in der Fraktion sichern. Vertrauen zueinander müssen beide allerdings noch aufbauen. Zumal der frühere Haushälter die Griechenlandpolitik der Kanzlerin immer kritisch bewertet hat.

In der CDU richteten sich die Blicke obendrein auf Anfang Dezember, wenn Merkel auf dem Bundesparteitag in Hamburg sich der Wiederwahl als Vorsitzende stellen will. Bekommt sie auch dort ein schlechtes Ergebnis, wäre dies ein weiterer Tiefschlag. In Berlin wurde allerdings auch darüber spekuliert, ob die Kanzlerin den CDU-Vorsitz vielleicht abgibt – der Name ihres Stellvertreters Armin Laschet als Nachfolger fiel hinter den Kulissen. Er ist NRW-Ministerpräsident und führt den größten CDU-Landesverband. Darüber hinaus genießt Laschet Anerkennung in allen Unionslagern. Die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz sei freilich schon Merkels SPD-Vorgänger Gerhard Schröder nicht gut bekommen, wurde ebenfalls angemerkt.

Bei der SPD konnte mancher eine gewisse Schadenfreude nicht verbergen, dass nun zur Abwechslung mal bei der Union die Hütte brannte. Manche gossen gar noch Öl ins Feuer. Parteivize Ralf Stegner sprach genüsslich von einer „Machterosion“ der Kanzlerin. Doch hinter den Kulissen herrschte eher Unsicherheit, über das, was da vielleicht noch kommen könnte. Schmeißt Merkel womöglich hin? Wird der Ton zwischen den Regierungsfraktionen nun rauer? „Wir müssen abwarten“, hieß es im Umfeld von SPD-Chefin Andrea Nahles. Immerhin hatte sie mit Kauder gut harmoniert. Zwischen beiden herrschte Verlässlichkeit. Brinkhaus freilich hatte schon gleich nach seiner Überraschungswahl das Gespräch mit Nahles gesucht, um zu demonstrieren, „dass wir die Große Koalition erfolgreich fortführen“. Und genau das war gestern auch die offizielle Lesart bei den Sozialdemokraten.

So fand Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider viel Lob für den neuen Spitzenmann von der Union. Brinkhaus sei ein „absolut seriöser Kollege“. Er hoffe, „dass sich das in der Unionsfraktion rüttelt“, um „in Ruhe ordentlich zusammenzuarbeiten“. Zugleich deutete Scheider aber neue Konflikte an. So pochen die Genossen etwa beim geplanten Einwanderungsgesetz auf die Verankerung einer Bleibe-Perspektive für abgelehnte Asylbewerber, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Die Union wiederum lehnt diese auch als „Spurwechsel“ bekannte Forderung rundweg ab. Das werde dann ein „Stimmungstest“, meinte Schneider. Eine Spitze konnte sich der Genosse aber nicht verkneifen: Die SPD-Fraktion sei jetzt „der Fels in der Brandung“. Da musste er selbst grienen.