CDU-Wirtschaftsflügel und Jusos hadern mit Koalitionsvertrag
Berlin (dpa) - Wenige Tage vor Ablauf des SPD-Mitgliedervotums machen die SPD-Nachwuchsorganisation Jusos und der CDU-Wirtschaftsflügel Front gegen eine große Koalition. Der Juso-Bundeskongress lehnte am Wochenende den mit der Union ausgehandelten Vertrag ab.
Bei der CDU entscheidet an diesem Montag ein kleiner Parteitag. Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels signalisieren ebenfalls Ablehnung. Dennoch rechnet CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mit einer breiten Zustimmung der insgesamt 181 Delegierten.
Über 50 jüngere CDU-Funktionäre kündigten in einem Manifest an, den Vertrag zu unterstützen. Gleichwohl sei die große Koalition „ein Bündnis nur auf Zeit. Nach vier Jahren gehen beide Partner wieder getrennte Wege“, heißt es in dem Papier. Man wolle mit Blick auf 2017 „mit der FDP als unserem verlässlichen Partner aus früheren Koalitionen im verbindlichen Austausch bleiben“ und zugleich aber auch persönliche Kontakte mit den Grünen intensivieren.
Auf dem Juso-Bundeskongress in Nürnberg lehnte eine breite Mehrheit des SPD-Nachwuchses trotz eindringlichen Werbens von SPD-Chef Sigmar Gabriel den Koalitionsvertrag ab. Die neue Juso-Chefin Johanna Uekermann sagte, wesentliche Punkte, für die auch die Jusos im Wahlkampf gekämpft hätten, seien nicht enthalten. Dazu gehöre die Bafög-Reform, Projekte gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa wie auch Steuererhöhungen für eine bessere Bildung und mehr Infrastruktur in den Kommunen. Die 26-Jährige sprach sich für eine Regierungsperspektive mit Grünen und Linkspartei aus.
Gabriel hielt dagegen: „„Die Ablehnung des Koalitionsvertrags bringt nicht mehr Gerechtigkeit, sondern sie bringt für Millionen Menschen in Deutschland weniger Gerechtigkeit.“ Eine große Koalition sei keine Liebesheirat. „Aber sie ist die jetzt mögliche Regierungsmehrheit in Deutschland. Und sie ist eine Koalition der nüchternen Vernunft.“ Uekermann betonte ausdrücklich, das Nein des SPD-Nachwuchses zum Koalitionsvertrag bedeute „kein Nein für die Parteispitze“.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte am Sonntag in München, sie könne gut damit leben, dass der Parteinachwuchs eine kritische Position einnehme. Auf das SPD-Mitgliedervotum selbst hat der Juso-Beschluss keine bindende Wirkung. Alle SPD-Mitglieder unter 35 können nach dem SPD-Status bei den Jungsozialisten mitarbeiten. Eine eigene formale Mitgliedschaft gibt es bei der Nachwuchsorganisation nicht.
Auch führende Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels signalisierten in der „Bild“-Zeitung (Montag) ihre Ablehnung. Die Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrats, der CDU-Mittelstandsvereinigung und des CDU-Parlamentskreises Mittelstand, Kurt Lauk, Carsten Linnemann und Christian Freiherr von Stetten, kritisierten gemeinsam die Absprachen zu Rente, Mindestlohn, Energiewende und Steuerpolitik. Von Stetten bezeichnete die Rentenversprechen als „Verbrechen an der nächsten Generation“.
Unionsfraktionsvize Michael Fuchs kündigte an, er werde in einer großen Koalition notfalls gegen neue Gesetze stimmen, wenn damit Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt würden. „Ich kann mir das vorstellen, selbstverständlich“, sagte der Wirtschaftspolitiker im Deutschlandfunk.
Dennoch rechnet CDU-Generalsekretär Gröhe mit breiter Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Trotz manchen Unmuts in der CDU werde der kleine Parteitag für den Vertrag stimmen, sagte Gröhe der Nachrichtenagentur dpa. Auf die Frage, ob seine Partei einen Plan B für den Fall habe, dass die SPD Nein sage und eine Neuwahl drohe, sagte Gröhe: „Wir haben einen Plan A - das heißt: Anfangen mit der Arbeit.“
Die jüngeren CDU-Funktionäre - darunter Bundes- wie Landespolitiker - schreiben in ihrem Manifest, Ziel sei es ab, ab 2017 Mehrheiten ohne die SPD erringen zu können. Dafür müssten heute die Weichen gestellt werden. Das Papier, über das zunächst die „Welt am Sonntag“ berichtete, liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Nötig sei eine „Agenda 2020“ statt eines weiteren Ausbaus von Sozialleistungen. In der „Welt“ (Montag) begrüßte Unionsfraktionschef Volker Kauder das Manifest und sicherte jüngeren Parteimitgliedern mehr Mitspracherechte in der Fraktionsführung zu.