Interview mit dem Chef des Deutschen Städtetages „Städte ersticken am Verkehr“

Berlin · Der Verkehrskollaps ist in vielen Kommunen schon Realität. Helmut Dedy, Chef des Deutschen Städtetages, äußert sich zur Frage, was in Sachen Mobilität und Verkehrskollaps zu tun ist.

Nicht nur auf den Autobahnen, gerade auch in den Städten staut sich der Verkehr.

Foto: dpa/Paul Zinken

Der Verkehrskollaps ist in vielen Kommunen schon Realität. Nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, muss es künftig weniger Autos in den Innenstädten geben. Über eine City-Maut und höhere Gebühren für das Anwohnerparken sollte nachgedacht werden, so Dedy im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Dedy, ist die Verkehrswende in den deutschen Städten eingeleitet?

Helmut Dedy: Ja, in den Kommunen hat sich bereits viel verändert. Auch im Denken: Die Städte bekennen sich inzwischen zur Verkehrswende, und das spiegelt sich auch in ihren Planungen wider.

Trotzdem hat man eher den Eindruck, dass das Chaos zunimmt.

Dedy: Keine Frage, wer unterwegs ist, erlebt auf der Straße immer wieder problematische Situationen. Es gibt Städte, die ersticken am Verkehr. Deswegen müssen wir vielfältiger, nachhaltiger und moderner werden. Wir brauchen mehr Radverkehr, mehr Elektromobilität, einen attraktiven ÖPNV und vor allem eine bessere Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger. Und: Wir müssen mehr in Regionen denken und handeln, über Stadtgrenzen hinaus.

Haben einige Kommunen nicht auch Entwicklungen verschlafen – zum Beispiel den Trend zum Rad?

Dedy: Das würde ich so nicht sehen. Deutschland ist ein ziemlich Auto-orientiertes Land. Das kann man kritisieren, noch ist es aber so. Seit einigen Jahren wird jedoch in vielen Städten umgebaut. Öffentliche Räume sind mehr als Parkplätze. Wir brauchen mehr Räume für Menschen.

Heißt das, Autos raus aus den Innenstädten?

Dedy: Perspektivisch wird es weniger Individualverkehr mit Autos in den Städten geben müssen, dafür mehr Mobilität auf der Schiene, im Bus, auf dem Fahrrad und zu Fuß. Das Verhältnis zwischen Autos und den übrigen Verkehrsmitteln muss neu austariert werden. Einfach jeden herkömmlichen PKW durch ein Elektroauto zu ersetzen, hilft uns da nicht.

Wie wäre es mit einer City- oder Innenstadtmaut?

Dedy: Der Städtetag will keine bundesweiten neuen Abgaben. Aber eine Stadt, die eine City-Maut erheben will, soll das machen können. Auch eine Nahverkehrsabgabe wäre denkbar, in Wien zum Beispiel zahlen die Arbeitgeber dafür. Doch dafür bedarf es Änderungen im Bundes- und im Landesrecht.

Verkehrsminister Andreas Scheuer hat ja mit seinem Bündnis für Mobilität den Kommunen mehr Befugnisse zugesichert. Hat er sein Versprechen gehalten?

Dedy: Ich sage es mal so: Der Minister ist dabei, zu liefern. Der Bund muss sagen, wir vertrauen darauf, dass die Städte vor Ort vernünftige Entscheidungen treffen. Das gilt auch bei der Straßenverkehrsordnung. Wir brauchen die Möglichkeit, Umweltspuren einrichten und beschildern zu können. Wir müssen den grünen Pfeil für Radfahrer ausprobieren dürfen und wir benötigen mehr Spielräume, die Geschwindigkeit in Städten festlegen zu dürfen. Das gleiche gilt auch für die Kosten des Bewohnerparkens. Damit das geht, muss einiges neu geregelt werden.

Was schwebt Ihnen beim Anwohnerparken vor?

Dedy: Öffentlicher Raum ist knapp, er hat einen Wert. Die Städte müssen dem einen Preis geben können. Ein Bewohnerparkausweis für ein Jahr darf heute nicht mehr als 30 Euro kosten. Das deckt oft noch nicht einmal den Verwaltungsaufwand der Städte für Schilder und die Ausweise. Hier sollte ein Rahmen von 20 bis 200 Euro möglich sein.

Die Anwohner werden sich vermutlich bedanken.

Dedy: Verkehrspolitik ist immer emotional. Aber wir müssen die Verkehrswende so gestalten, dass mehr Menschen aufs eigene Auto verzichten. Und die Menschen wollen auch Freiräume. Deshalb müssen wir den Verkehr in den Städten anders gestalten können – den fließenden, den ruhenden und den öffentlichen Verkehr. Letztlich geht es um mehr Lebensqualität für die Menschen.