750 Milliarden Euro Hilfspaket für die Wirtschaft: „Alles tun, was notwendig ist“
Berlin. · Die Bundesregierung stellt insgesamt rund 750 Milliarden Euro für die Wirtschaft bereit. Die schwarze Null ist damit Makulatur.
Das düsterste Szenario für die Zukunft des Wirtschaftsmodells Deutschland veröffentlichte am Montag das Münchener Ifo-Institut. Es sagte für den ungünstigsten Fall ein Schrumpfen des Bruttosozialprodukts um bis zu 20 Prozent, Arbeitslosigkeit für 1,8 Millionen Menschen und Kurzarbeit für sechs Millionen voraus. Die Bundesregierung setzt dieser Gefahr nun ein Rekordpaket entgegen, das in Rekordzeit erarbeitet wurde und schon am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden soll.
Eine solche Kabinettssitzung hat es noch nicht gegeben. An einem Montag, statt wie üblich am Mittwoch und geleitet von einer Kanzlerin (CDU), die per Videotelefon aus der häuslichen Quarantäne zugeschaltet war. Acht umfangreiche Gesetzentwürfe lagen auf dem Tisch, sie waren bis zum Wochenende erarbeitet worden. Der Papierstapel, den Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hinterher in der Bundespressekonferenz hoch hielt, war fast zehn Zentimeter dick. Kern ist ein Ausgabenpaket in Höhe von 122 Milliarden Euro. Plus 600 Milliarden an Bürgschaften und Krediten. „Was wir machen, ist der Größe dieser Herausforderung vollständig entsprechend“, sagte Scholz und deutete trotzdem schon ein mögliches Nachlegen an: „Wir werden alles tun, was notwendig ist.“ Hier eine Übersicht.
Neue Schulden
Die schwarze Null ist Makulatur. Scholz legt einen Nachtragshaushalt für 2020 in Höhe von 122,8 Milliarden Euro vor – und rechnet zusätzlich mit Steuerausfällen von 33,5 Milliarden Euro. Im Ergebnis sind das 156 Milliarden Euro neue Schulden. 100 Milliarden mehr als statthaft wären. Im Fall einer Notsituation ist eine solche Sonderverschuldung im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen; am Mittwoch soll der Bundestag darüber abstimmen. Notwendig ist die Kanzlermehrheit von 355 Abgeordneten. Das Geld wird für alle Bereiche gebraucht, für Kliniken ebenso wie für Solo-Selbstständige und das Kurzarbeitergeld. Weil Deutschland in den vergangenen Jahren so gut gewirtschaftet hat, kommt es dadurch an den Finanzmärkten noch nicht in Probleme; der Gesamt-Schuldenstand liegt immer noch nur leicht über der EU-Stabilitätsgrenze von maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ohnehin sind aber seit Freitag diese Regeln in Brüssel außer Kraft gesetzt worden. Allerdings muss der Bund nach der weiter geltenden Regelung der Schuldenbremse die Sonderverschuldung zurückzahlen. Geplant ist eine Tilgung von fünf Milliarden Euro jährlich ab 2023.
Solo-Selbstständige
Das Hilfsprogramm des Bundes für diesen Kreis beträgt jetzt 50 Milliarden Euro. Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten sollen eine Einmalzahlung von 9000 Euro für drei Monate bekommen, Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten 15 000 Euro. Das Geld soll dem Vernehmen nach bereits im April fließen. Es dient laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nicht dazu, Umsatzausfälle auszugleichen. Vielmehr soll es helfen, Mieten und andere laufende Ausgaben zu tragen, „damit niemandem die Puste ausgeht“, wie Scholz formulierte. Die Beschäftigten müssen sich gegebenenfalls mit Kurzarbeitergeld oder der erleichterten Grundsicherung über Wasser halten. Viele Bundesländer haben zusätzlich eigene Programme aufgelegt.
Kleine und mittlere Unternehmen
Die staatliche Förderbank KfW startete am Montag ihr Sonderprogramm für diese Gruppe. Betroffene Firmen könnten nun über ihre Hausbank Antrag auf Kredit stellen, hieß es. Die Mittel für das Sonderprogramm seien unbegrenzt. Finanziert werden können Investitionen und Betriebsmittel. Bei Krediten bis zu drei Millionen Euro gibt es niedrigere Zinssätze und eine vereinfachte Risikoprüfung der KfW. Eine höhere Haftungsfreistellung durch die KfW von bis zu 90 Prozent (statt bisher 80 Prozent) bei Betriebsmitteln und Investitionen von kleinen und mittleren Unternehmen soll Banken und Sparkassen die Kreditvergabe erleichtern. Forderungen der DIHK, die Kredite mit einer Staatsgarantie von 100 Prozent abzusichern, wies Scholz zurück. Mehr sei auf EU-Ebene nicht durchsetzbar gewesen.
Große Unternehmen
Hierfür widmet die Bundesregierung den bestehenden „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ um und stellt insgesamt 600 Milliarden Euro zur Verfügung. 400 Milliarden davon bestehen aus Bürgschaften. Wie viel am Ende wirklich abfließt, ist offen. 100 Milliarden Euro stehen für staatliche Beteiligungen an kriselnden Unternehmen bereit – ein Fall könnte demnächst die Lufthansa sein, die besonders stark betroffen ist. Altmaier warnte internationale Hedgefonds bereits vor der Hoffnung, jetzt billig in große deutsche Unternehmen einsteigen zu können. Wenn die Krise vorbei ist, sollen diese Beteiligungen wieder privatisiert werden. Weitere 100 Milliarden gibt es für die staatliche KfW-Bank – die ihre stark ausgeweiteten Kreditprogramme für Unternehmen damit refinanzieren soll.