Steuer-Zinsen Darf das Finanzamt sechs Prozent Zinsen kassieren?

Der Bund der Steuerzahler unterstützt einen Musterprozess, in dem eine Jahrzehnte alte Regelung auf den Prüfstand kommt.

Der Bund der Steuerzahler unterstützt einen Musterprozess, in dem eine Jahrzehnte alte Regelung auf den Prüfstand kommt.

Foto: Tim Brakemeier

Düsseldorf. Sechs Prozent Zinsen für den Fiskus - der Bund der Steuerzahler will dieser Hochzinspraxis ein Ende setzen. Der Verband unterstützt daher in einem Musterverfahren die Klage eines Ehepaares vor dem Finanzgericht Münster.

In dem Fall erfolgte die endgültige Festsetzung der Steuer für das Jahr 2010 erst im Januar 2016. Das Ehepaar, so der Bund der Steuerzahler, habe die lange Bearbeitungszeit nicht verschuldet, musste aber neben den Steuern sechs Prozent Zinsen auf die Steuerschuld bezahlen. Dabei wurden vom Finanzamt die geltenden Regeln angewandt. „Während die Sparer unter niedrigen Zinsen leiden, bekommt das Finanzamt eine Top-Rendite“, klagt Verbandspräsident Reiner Holznagel.

Zwar gilt der hohe Zinssatz auch zugunsten des Steuerzahlers — wenn er nämlich erst nach langer Bearbeitungszeit eine Erstattung zu viel gezahlter Steuern erhält. Doch in der Summe ist die Sache ein gutes Geschäft für den Fiskus. Der Saldo zwischen vom Fiskus vereinnahmten und zu zahlenden Zinsen betrug 2015 knapp 749 000 Euro. 2014 lag das Zinsplus sogar bei knapp 1,17 Millionen Euro.

Zahlen, die zeigen, dass solche Fälle nicht selten vorkommen — was den Steuerzahlerbund veranlasst, die Sache gerichtlich klären zu lassen. Der Verband sieht dabei auch diejenigen Fallkonstellationen kritisch, in denen der Steuerzahler Zinsen kassiert. Holznagel: „Der Fiskus muss sich fragen, warum er bei Steuererstattungen bessere Konditionen anbieten kann als Banken. Schließlich werden die hohen Erstattungszinsen auch wieder aus Steuermitteln gezahlt.“

Ob die Initiative erfolgreich sein wird, ist allerdings fraglich. Denn in früheren Urteilen haben Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof die seit Jahrzehnten geltenden hohen Steuerzinsen für rechtmäßig erklärt. Die Argumentation: Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz würde wegen dessen Schwankungen zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen. Denn es müsste im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären.

Ob sich diese Argumentation angesichts des dauerhaft tiefen Zinsniveaus halten lässt, soll das Musterverfahren zeigen. Der Bund der Steuerzahler jedenfalls rät auch anderen Betroffenen, gegen ihren Bescheid Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Zur Begründung sollte auf das Musterverfahren beim Finanzgericht Münster (Az. 10 K 2472/16 E) und beim Bundesfinanzhof (Az. I R 77/15) verwiesen werden. Bei einem Erfolg würden dann auch die Einspruchsteller gegebenenfalls zu viel gezahlte Zinsen zurück erhalten.