Das Ende einer Erzfeindschaft
Baden-Württembergs grüner Regierungschef Kretschmann beschwört ein Bündnis mit der Union auf Bundesebene.
Berlin. Es hat sich etwas verändert im politischen Berlin. CDU-Umweltminister Norbert Röttgen und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verteidigen sich gegenseitig im Fernsehstudio gegen die Attacken von Atomkraft-Befürwortern.
Grünen-Politiker geben plötzlich dem Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit in Röttgens Ministerium, Gerald Hennenhöfer, freundlich die Hand. Jenem Mann, den man wegen einer früheren Tätigkeit im Eon-Konzern für zu atomfreundlich hielt. Nun müssen die Grünen feststellen, dass Hennenhöfer den stufenweisen Atomausstieg bis 2022 fachlich und ohne Hintertür umsetzt.
Und dann ist da ja auch noch Winfried Kretschmann. Erst sah der baden-württembergische Ministerpräsident eine neue „Südschiene“ mit dem schwarzen Bayern beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dann half der Grüne mit, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die stufenweise AKW-Abschaltung von 2015 bis 2022 einführte und so die Atomstrommenge de facto weiter begrenzt wurde.
Nun lobt der heimliche Star der Grünen ausgiebig die Kanzlerin, während er die SPD in einem schwierigen Zustand sieht. Merkel gehe innerparteilich mit ihrer Atom-Kehrtwende ein hohes Risiko ein, durch die Rücknahme der Laufzeitverlängerung würden tiefe Gräben zwischen Union und Grünen eingeebnet, sagt Kretschmann.
„Eine wesentliche Hürde“ für ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene sei nun gefallen. Grünen-Chef Cem Özdemir ist da vorsichtiger — er sieht die SPD weiterhin als besten Partner und hofft auf Rot-Grün ab 2013. Die Co-Vorsitzende Claudia Roth warnt vor einem schwarz-grünen Flirt.
Aber das Ganze zeigt: Die frühere „Ausschließeritis“ bei den Koalitionsoptionen tritt angesichts der parteipolitischen Befriedung des Kampfthemas Atom in den Hintergrund. Allerdings könnten die schwarz-grünen Gedankenspiele von „Realos“ schnell wieder vorbei sein, wenn die Grünen-Basis am 25. Juni beim Atom-Sonderparteitag der Parteispitze ein Nein zum Ausstieg 2022 aufnötigt. Viele wollen schon 2017 raus.
Und die SPD? Deren Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sieht bei der Kanzlerin und CDU-Chefin einen schleichenden Machtverlust.
70 Prozent der Deutschen seien mit der Regierung Merkel unzufrieden. Kretschmann müsse sich fragen, ob man als Mehrheitsbeschaffer für Merkel zur Verfügung stehen wolle. Die SPD könne die Debatte entspannt beobachten: „Der letzte schwarz-grüne Feldversuch in Hamburg hat mit einer absoluten Mehrheit für die SPD geendet.“
Doch ganz so entspannt ist man im Willy-Brandt-Haus nicht. Für die Sozialdemokraten ist es schwer zu punkten. Vor allem jetzt, wo das Konrad-Adenauer-Haus der CDU innen wie außen grün angestrichen wird, wie SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier süffisant anmerkt. Der Streit über die innerparteiliche Reform macht gerade mehr Schlagzeilen als eigene Politikinhalte der Sozialdemokraten. Und die Umfragewerte sind schlecht.