Sudetendeutsche: Seehofer setzt auf Dialog mit Tschechien
Augsburg (dpa) - Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hat trotz der neuerlichen Misstöne zwischen den Sudetendeutschen und Tschechien seinen Willen zum Dialog betont.
„Ich setze voll auf Dialog, auf die persönliche Begegnung. Das erfordert Geduld. Das wusste ich von Anfang an, dass das kein ganz einfacher Weg wird“, sagte Seehofer am Sonntag beim 62. Sudetendeutschen Tag in Augsburg.
Am Samstag hatte der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Pany, für Wirbel und Empörung gesorgt. Unter Hinweis auf die englische Königin, die bei einem Besuch in Irland ihr Bedauern über den jahrhundertealten Konflikt zwischen Briten und Iren ausgedrückt hatte, hatte der Chef der Landsmannschaft gesagt: „Was hindert ein republikanisches Staatsoberhaupt wie den Präsidenten der Tschechischen Republik, solches oder Ähnliches in Richtung der Vertriebenen und entrechteten Sudetendeutschen zu äußern?“
Tschechiens Präsident Vaclav Klaus warf den Sudetendeutschen daraufhin „außerordentliche Gefühllosigkeit und Unbelehrbarkeit“ vor. Es gehe nicht an, dass Pany unmittelbar nach dem Jahrestag der Ausrottung von Lidice eine Entschuldigung von den Tschechen fordere, sagte Klaus nach Angaben tschechischer Medien am Samstag. Im tschechischen Dorf Lidice war am 10. Juni 1942 bei einer Strafaktion deutscher Besatzer die gesamte männliche Bevölkerung ermordet worden.
„Ich bin tief überrascht von dieser sehr scharfen und überzogenen Reaktion. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen“, sagte Pany am Sonntag dazu. Auch der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, zeigte sich irritiert: „Ich verstehe absolut nicht, warum der Präsident eines Landes, in dem Gott sei Dank die Menschen wieder fragen nach unbequemen Themen wie Vertreibung - warum der diesen Sudetendeutschen Tag in einer Art und Weise angreifen muss, die an die Zeit vor 1989 erinnert.“
Seehofer erwähnte den Wirbel um Panys Äußerungen in seiner Rede hingegen mit keinem Wort. „Nichts ist wertvoller als der Dialog. Wir haben uns die Hände gereicht zum Wohle der Menschen“, sagte er mit Blick auf seine Reise nach Prag. Dies werde er auch bei einer zweiten Reise nach Tschechien zum Ausdruck bringen. Der CSU-Politiker war im vergangenen Dezember als erster bayerischer Ministerpräsident seit dem Zweiten Weltkrieg nach Prag gereist und hatte damit eine jahrzehntelange politische Eiszeit beendet.
„Mir ist bei der Reise und bis heute immer bewusst gewesen, es bestehen in Tschechien Rechtsauffassungen, die nicht in die europäische Werteordnung hineinpassen“, sagte Seehofer mit Blick auf die bis heute geltenden Benes-Dekrete. Diese bildeten die Voraussetzung für die 1945 von den Alliierten im Potsdamer Abkommen gebilligte Ausweisung der deutschen Minderheit aus der Tschechoslowakei. „Da lasse ich nicht locker, und da bleiben wir im Gespräch“, betonte der Ministerpräsident.
Seehofer würdigte ausdrücklich die Aufbauarbeit der Volksgruppe in Bayern: „Gelebte Solidarität und Eigenverantwortung - dafür stehen die Sudetendeutschen in besonderem Maße.“ Dialogbereitschaft und Verständigungsarbeit der Sudetendeutschen seien zukunftsweisend und wahrhaft europäisch, betonte der Ministerpräsident.
Seehofer forderte zudem - wie auch schon Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) am Samstag - erneut einen nationalen Gedenktag für die Opfer der Vertreibung. „Flucht und Vertreibung müssen von der Gesellschaft als Teil der deutschen und europäischen Geschichte begriffen werden“, sagte der Ministerpräsident. Dazu gehöre auch die Unterstützung Bayerns für ein zentrales Sudetendeutschen-Museum in München. Dafür stelle die Staatsregierung 2010/2011 insgesamt 500 000 Euro zur Verfügung.