Koalitionsausschuss Das hat die Ampel beschlossen – und das wird jetzt kritisiert

Berlin · Das Ampel-Bündnis ist erleichtert, dass der Koalitionskitt noch hält und preist die Ergebnisse ihrer Marathonsitzung als zukunftsweisend. Von zahlreichen Verbänden kommt aber Kritik.

Die Parteichefs der Koalitionsparteien, Lars Klingbeil (SPD, r-l), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss.

Die Beschlüsse der Ampel-Koalition zum Klimaschutz und zur Planungsbeschleunigung haben bei mehreren Verbänden und Oppositionsparteien Kritik hervorgerufen. Umweltorganisationen warfen der Koalition eine Aufweichung von Klimaschutzregeln vor.

Der Sozialverband VdK und der Kinderschutzbund monierten das Fehlen einer Verständigung zur Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung. Scharfe Kritik an den Beschlüssen kam von der Linken und der AfD. Führende Politiker von SPD, Grünen und FDP sprachen hingegen von wegweisenden Ergebnissen.

Der Koalitionsausschuss hatte mit Unterbrechungen von Sonntagabend bis Dienstagabend getagt. Die drei Koalitionsparteien einigten sich auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Außerdem sollen neben Bahnstrecken auch bestimmte Autobahnprojekte, die Engpässe beheben sollen, beschleunigt werden.

Die Rede ist von 144 Projekten. Mehr Geld soll die Bahn bekommen. Dafür sollen im Zuge einer Reform der Lkw-Maut Mehreinnahmen ganz überwiegend für Investitionen für die Schiene genutzt werden. Bisher gehen Einnahmen aus der Lkw-Maut nur in den Fernstraßenbau.

Greenpeace: Autobahnprojekte „klimaschädlich“

Bei Eingriffen in Natur und Landschaft, etwa durch den Bau von Windrädern oder Straßen, soll nicht nur ein Flächenausgleich gelten, sondern künftig auch Geld als Kompensation gezahlt werden können. Neu gehandhabt werden sollen die Jahresmengen, die Sektoren wie Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft an CO2 ausstoßen.

Überschreitet ein Bereich die vereinbarte Jahresmenge, müssen die Ministerien sogenannte Sofortprogramme für mehr Klimaschutz vorlegen. An dieser Erhebung für jeden Sektor will die Koalition zwar festhalten, nachsteuern soll die Regierung künftig aber erst nach zwei aufeinanderfolgenden Zielverfehlungen - und zwar für alle Sektoren zusammen.

Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger kritisierte, mit der Aufweichung der Sektorenziele falle die Ampel-Regierung hinter das Ambitionsniveau der Vorgängerregierung zurück. Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace, Martin Kaiser, monierte ebenfalls, mit der Aufgabe der Verpflichtung zur Umsetzung jedes einzelnen Sektorziels werde das Klimaschutzgesetz entkernt. Wenn nun 144 zusätzliche „klimaschädliche Autobahnprojekte“ beschleunigt durchs Land asphaltiert werden sollten, werde das Klima weiter vor die Wand gefahren.

Kritik von der Linken und AfD

Lob kam von der Allianz pro Schiene. Deren Geschäftsführer Dirk Flege begrüßte, dass die Bahn mehr Geld bekommen soll und dafür auch Mittel aus der Lkw-Maut fließen sollen. „Endlich wird der Zwang abgeschafft, die Lkw-Mauteinnahmen in Bundesfernstraßen investieren zu müssen. Jetzt darf in umweltfreundliche Alternativen investiert werden, das ist ein Riesenfortschritt“, sagte Flege.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte die Einigungen zum Verkehrssektor insgesamt und dabei auch, dass weiter in den Straßenbau investiert wird. „Deutschland wird noch sehr lange auf die Automobilität angewiesen sein. Es wird Jahrzehnte dauern, das Schienennetz - auch das europäische - so auszubauen, dass das Volumen der Schienentransporte sehr deutlich steigen kann“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Rheinischen Post“.

Linke und AfD können den Ergebnissen aus dem Koalitionsausschuss jedoch nichts Gutes abgewinnen. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Nachrichtenportal t-online: „Eine Erhöhung der Lkw-Maut macht kein Gesamtkunstwerk, sondern ist ein Debakel für die Ampel-Regierung und einen Kanzler mit fortgesetzter Führungsschwäche.“ Bartsch warf der Ampel-Koalition zugleich „nebulöse Ankündigungen“ vor und nannte das „blamabel“.

Wie Bartsch kritisierten auch die Fraktionschefs der AfD, Alice Weidel und Tino Chrupalla, dass das geplante Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen noch nicht vom Tisch sei. Sie nannten die Ergebnisse der Koalitionsgespräche insgesamt „dürftig“. Für den Einbau klimafreundlicherer Heizungen soll es nun einen sozialen Ausgleich geben. An der Vorgabe, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll, will die Koalition aber festhalten.

So reagiert die Ampel

Ganz anders ist die Sichtweise der Ampel-Koalition. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach im ZDF-„heute journal“ von einem großen Modernisierungspaket, welches das Land über die nächsten Jahrzehnte verändern werde. Dafür sei er auch bereit, sich „mal zwei Tage an einen Tisch zu setzen“. Klingbeil bescheinigte der Koalition ein gemeinsames Interesse, den Klimaschutz voranzubringen, die Infrastrukturprojekte auszubauen und auch die Planungs- und Genehmigungszeiten drastisch zu verkürzen. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte der SPD-Chef, viele der Beschlüsse würden sehr schnell ins Parlament kommen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte das Maßnahmenpaket für die Bahn und den Schwerlastverkehr „sehr wuchtig“. Habeck räumte in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ ein, dass die Planungsbeschleunigung für Autobahnprojekte seiner Partei nicht leicht gefallen, aber Teil der Kompromissfindung gewesen sei. „Das war kein Wunsch der Grünen“, sagte Habeck. Wichtig sei aber, dass Probleme gelöst worden seien.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr wertete die Ergebnisse des Koalitionsausschusses als wegweisend. „Gemeinsam hat sich die Koalition auf ein umfassendes Modernisierungs- und Beschleunigungspaket geeinigt, das einen wahren Paradigmenwechsel bedeutet“, sagte Dürr der Deutschen Presse-Agentur. Das Tempo von Planungs- und Genehmigungsverfahren werde weiter erhöht. Das Klimaschutzgesetz werde von der „Planwirtschaft in die Marktwirtschaft“ überführt. Die Koalition habe sich zudem zu Technologieoffenheit bekannt.

(dpa)