Poliitik Der Fall Twesten oder: Verrat kommt in den besten Familien vor
Nachdem die grüne Abgeordnete Twesten ihre Partei verlassen hat, hagelte es viel Kritik seitens der niedersächsischen Landesregierung, die dadurch ihre Ein-Stimmen-Mehrheit verlor.
Berlin. Verrat“ twitterte der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz sofort wütend. „Unwürdig und schmutzig“ schickte sein Generalsekretär Hubertus Heil hinterher. Die Empörung der beiden war verständlich, droht die Partei doch durch den Wechsel der Grünen Abgeordneten Elke Twesten zur CDU die Regierungsmehrheit in Niedersachsen zu verlieren.
Freilich können die führenden Genossen auch anders. Am 14. Mai 2009 präsentierte Martin Schulz, damals Spitzenkandidat für das Europaparlament, zusammen mit Parteichef Franz Müntefering auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz im Berliner Willy-Brandt-Haus stolz eine Eroberung: Die linke Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann trat zur SPD über. Mitten im Wahlkampf. Mit ihrem Mandat. Sie war wie Twesten ebenfalls nicht wieder aufgestellt worden.
Schulz teilte bei der Gelegenheit noch mit, dass er sich um einen weiteren linken Abweichler, André Brie, intensiv kümmere. „Er schwankt noch“, so der heutige Kanzlerkandidat damals. Das blieb letztlich ohne Erfolg.
Das Beispiel zeigt: Man liebt durchaus den Verrat. Aber selten den Verräter. Jedenfalls nicht, wenn man selbst negativ getroffen ist. In Thüringen hat die SPD im letzten Jahr sogar den Übertritt des AfD-Politikers Oskar Helmerich zu ihr ohne Protest akzeptiert — er sichert die Mehrheit der dortigen rot-roten Koalition.
Spektakuläre Übertritte hat es auch früher immer wieder gegeben, angefangen mit Ex-Bundespräsident Gustav Heinemann, der einst von der CDU zur SPD fand. Manchmal hat sich eine Partei geändert, manchmal ein Politiker, manchmal beide. Man entzweit sich. Ex-Innenminister Otto Schily ging von den Grünen zur SPD, Günter Verheugen kam von der FDP zu den Sozialdemokraten. In Berlin wurde der Landes-Chef der Piraten, Christopher Lauer, ein Sozi. Dafür gewannen die Piraten die Ex-Grünen-Vorsitzende Angelika Beer. Der Spitzen-Grüne Oswald Metzger wiederum wechselte zur CDU. „Verrat“ kommt offenbar in den besten Familien vor.