Die Piraten befinden sich in schwerer See

Krise der Partei verschärft sich. Boykottaufrufe überschatten den Europawahlkampf.

Foto: Bodo Marks

Berlin/Düsseldorf. Knapp zwei Jahre nach ihrem Hoch mit zweistelligen Werten rangiert die Piratenpartei in Umfragen nur noch unter den Sonstigen. Bittere Wortgefechte auf Twitter und im Internetforum der Partei reißen nicht ab. Leidenschaftlich bekennen sich Piraten zum Boykott des Europawahlkampfs. Austritte ehemaliger Führungsleute wie Julia Schramm, Sebastian Nerz oder Matthias Schrade häufen sich. Können die Piraten ihr feststeckendes Parteischiff noch einmal flottkriegen — oder droht der Untergang?

Nach dem Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus 2011 ging es für die Piraten atemberaubend voran. Die Mitgliederzahl kletterte binnen Monaten um 50 Prozent. Der folgende Einzug in die Landtage an der Saar, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen erschütterte vor allem Grüne und regte die Fantasie über die Parteigrenzen hinweg an. Würden die Piraten zur bunten, festen Größe im Parteienspektrum? Innerparteiliche Anfeindungen, stundenlange Selbstbeschäftigung auf Parteiversammlungen und allgemeine Zermürbung nahmen aber zu — der Raubzug im Parteiensystem war mit einem 2,2-Prozent-Ergebnis bei der Bundestagswahl im September vorerst vorbei.

Der politische Geschäftsführer Björn Semrau räumt ein: „Viele Leute haben viele Hoffnungen hineingesteckt und sind vom Abschneiden bei der Bundestagswahl enttäuscht gewesen.“ Dass Richtungsgräben zwischen links und liberal brutal aufgerissen sind, gibt auch Parteichef Thorsten Wirth zu: „In der Piratenpartei wird sehr viel gerungen über die Richtung, über den wahren Weg.“

Katalysator der aktuellen Verschärfung der Dauerkrise war eine Oben-ohne-Aktion zweier Frauen vor der Dresdner Semperoper Mitte Februar — ein provozierender Dank an die Alliierten für das Bombardement Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Maskiert beteiligt war Anne Helm, Piraten-Kandidatin für die Europawahl, was aber erst Tage danach herauskam und weitere Tage später von ihr bestätigt wurde.

Ausweislich anhaltender Bekenntnisse unter dem Twitter-Stichwort #KeinHandschlag scheint es für viele Piraten seither die faszinierendste Idee seit langem zu sein, zur Europawahl am 25. Mai auf keinen Fall für die Partei zu werben. „Sie schaden den Kandidaten und uns als Piratenpartei“, klagt Parteichef Wirth.