Hintergrund Die Zensur der Nazis - NS-Presseanweisungen im Mai 1938
Düsseldorf. Ab Juli 1933 war die täglich tagende Reichspressekonferenz kein Verein von Hauptstadtjournalisten mehr, der die Regierung befragte, sondern eine Abteilung des Propagandaministeriums, die täglich Anweisungen erteilte, ob und wie über Vorgänge zu berichten war.
Einzige verbliebene Presseagentur war das „Deutsche Nachrichtenbüro“, dessen Kürzel DNB bald spöttisch mit „darf nix bringen“ übersetzt wurde. Trotz der strikten Anordnung, die NS-Presseanweisungen nach Gebrauch zu vernichten, erhielten sich Mitschriften. Nachfolgend eine Auswahl aus dem Mai 1938:
2. Mai: Streng vertraulich! Jede Veröffentlichung über den Rohölverbrauch der deutschen Schifffahrt ist unerwünscht.
9. Mai (Hitler in Italien): Das Weltecho zu den Trinksprüchen vom Samstag ist außerordentlich günstig. Trotzdem wird gebeten, zu vermeiden, solche ausländischen Stimmen zu veröffentlichen, die die beiden Reden gegenüberstellen und etwa zu dem Schluss kommen, Mussolini habe zurückhaltender gesprochen, oder die ähnliche Vergleiche ziehen.
11. Mai: Das Bild des sudetendeutschen Dichters Friedrich Bodenreuth darf deshalb nicht veröffentlicht werden, weil die tschechischen Behörden auf Grund dieses Bildes nach ihm fahnden könnten. B. ist nämlich ein Pseudonym. Das Werk des Dichters kann jedoch ausführlich besprochen werden.
16. Mai: Es besteht die Möglichkeit, dass Graf Ciano für den Abschluss des italienisch-englischen Osterfriedens den Nobelpreis zuerkannt erhält. Deutschlands Einstellung zum Nobelpreis ist bekannt. Selbst wenn Graf Ciano vorgeschlagen würde, so darf die deutsche Presse mit keiner Silbe auf diesen Vorgang eingehen.
18. Mai: Bei den Gedenkartikeln zu den Kriegsereignissen vor 20 Jahren sollen die deutsch-italienischen Kämpfe nicht so dargestellt werden, dass die italienische Wehrmacht absolut unfähig gewesen sei, vielmehr sollen bei Artikeln über die Isonzo-Schlachten die Erfolge und die Zähigkeit des italienischen Truppen sachlich dargestellt werden.
19. Mai: Über den weiblichen Arbeitsdienst erscheinen manchmal gänzlich veraltete Artikel, geschrieben von ehemaligen Arbeitsmaiden, die damals dabei waren, als sicherlich manches noch primitiv gewesen sei. Heute aber schadeten solche Darstellungen nur, besonders wenn der Eindruck entstehe, es sei auch heute noch so primitiv in den Lagern.
20. Mai: Aus den in Österreich erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften soll nicht alles bedenkenlos abgedruckt werden. Man weiß, dass dort das Schriftleitergesetz noch nicht gilt, dass noch manche in der Presse arbeiten, die nicht hinein gehören, so dass noch manche Nachrichten erscheinen, die nicht zweckmäßig und nicht erwünscht sind.
23. Mai: Eine frühere Anordnung über das Verbot, Starkbier zu brauchen, ist aufgehoben worden. Von einer Kommentierung der entsprechenden DNB-Meldung soll abgesehen werden.
23. Mai: DNB-Rundruf, 17.40 Uhr: Vom Übertritt sudetendeutscher Soldaten auf deutsches Gebiet soll in der deutschen Presse unter keinen Umständen Notiz genommen werden.
24. Mai: Über die Ausstellung „Entartete Musik“ in Düsseldorf soll nicht mehr geschrieben werden als über alle anderen Veranstaltungen im Rahmen der Reichsmusiktage. Kurze Auszüge aus der Eröffnungsrede von Ziegler können gebracht werden.
25. Mai: In der amtlichen Meldung über den Deutschlandflug wird auch mitgeteilt, dass 3 Todesopfer zu beklagen sind. Diese Tatsache soll nicht in den Überschriften zum Ausdruck kommen und auch nicht besonders hervorgehoben werden.