Edathy-Affäre belastet Koalition: CSU kritisiert Oppermann
Berlin (dpa) - Die Affäre um die Kinderpornografie-Ermittlungen gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy hat die große Koalition in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt. Die CSU legte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Sonntagabend den Rücktritt nahe.
„Neben dem juristischen Hin und Her gibt es eine klare politische Verantwortung. Die muss Oppermann übernehmen“, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer der Nachrichtenagentur dpa in München.
Nach dem Rücktritt von Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wirft die CSU dem Koalitionspartner Vertrauensbruch vor. Oppermann hatte am Donnerstag öffentlich gemacht, dass Friedrich der SPD-Spitze im Oktober mitgeteilt hatte, der Name Sebastian Edathy sei bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht. Daraufhin trat Friedrich am Freitag zurück. Er sieht sich mit dem Vorwurf des Geheimnisverrats konfrontiert.
Gegen Edathy wird wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie ermittelt. Es steht der Vorwurf im Raum, dass er frühzeitig informiert worden war und Beweismittel beseiteschaffen konnte. Der frühere SPD-Abgeordnete bestreitet dies ebenso wie den Besitz von Kinderpornografie. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ und des Norddeutschen Rundfunks will er Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft Hannover einlegen.
Politiker aus Union und Opposition forderten Oppermann und weitere SPD-Spitzenpolitiker auf, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben. Sie sollen versichern, dass sie Ende 2013 tatsächlich keine Informationen über die Ermittlungen durchgestochen haben. Die SPD-Führung beteuert, gesetzestreu gehandelt zu haben. Die Opposition verlangt Aufklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Seehofer will seinem Ärger in einem Dreier-Gespräch der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD Luft machen, wie er bei einem kleinen CSU-Parteitag in Bamberg ankündigte. „Wir werden über die Art und Weise der Zusammenarbeit reden müssen.“ An diesem Dienstag tagt in Berlin der Koalitionsausschuss. Tags darauf berät der Innenausschuss des Bundestags über die unübersichtliche Lage.
Schon an diesem Montag will Seehofer Friedrichs Nachfolger benennen. Aussichtsreiche Kandidaten sind zwei Müllers: der Parlamentarische Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, Stefan Müller (CSU) sowie der bisherige Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Sollte Gerd Müller den Vorzug erhalten, dürfte dessen bisheriger Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) voraussichtlich sein Nachfolger werden.
Am Sonntagabend war in der CSU auch eine Rückkehr von Friedrich an die Spitze der CSU-Landesgruppe im Gespräch. Die derzeitige Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt könnte eventuell als Ministerin ins Landwirtschaftsministerium wechseln, hieß es in Parteikreisen. Die Lösung galt in der CSU aber nicht als übermäßig wahrscheinlich.
Die Affäre Edathy wirft weiter viele Fragen auf. Fraglich ist unter anderem, weshalb Oppermann nach Erhalt der Information im Herbst den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, anrief. Die Grünen verlangen, dass neben Ziercke auch Oppermann am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestages Rede und Antwort steht.
Der Innenpolitiker Hans-Peter Uhl empörte sich im „Focus“: „Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt.“ Auch Friedrich hielt Oppermann vor, „in letzter Sekunde, wenn man ihn am Schlafittchen hat“, den Ball zu ihm geschoben zu haben. „Das ist nicht ganz fein.“
Oppermann nannte Friedrichs Abgang „bitter und tragisch“, weil dieser nichts Unrechtes gewollt habe. Seine Erklärung sei mit Friedrich vorab inhaltlich abgestimmt gewesen, betonte er in der „SZ“. Zugleich wies Oppermann in der „Bild am Sonntag“ Spekulationen zurück, die SPD-Spitze könnte Edathy einen Tipp zu bevorstehenden Ermittlungen gegeben haben.
Die Staatsanwaltschaften aus Hannover und Berlin wollen Anfang der Woche darüber beraten, ob gegen Friedrich oder andere Politiker wegen Geheimnisverrats ermittelt wird. Geklärt wird zunächst, wer zuständig ist. Danach dürfte schnell entschieden werden, ob ermittelt wird.
In der Union traut man den Beteuerungen des Koalitionspartners nicht. CDU-Vize Armin Laschet verlangte in der „Welt am Sonntag“: „Eidesstattlich müssen alle SPD-Politiker, die eingeweiht waren, dass ihr damaliger Kollege Bilder nackter Jungen bestellte, erklären, dass sie den Verdächtigen nicht vorgewarnt haben.“
Die Grünen fordern Klarheit im Fall Edathy. „Wir erwarten von der Bundesregierung die umgehende und vollständige Aufklärung, wer zu welchem Zeitpunkt welche Informationen im Fall Edathy erhielt und weiter gab“, sagte Parteichefin Simone Peter am Sonntag. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt drohte sogar mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dafür fehlt der Opposition allerdings die erforderliche Stimmenzahl.
Edathy selbst bestritt, vorgewarnt worden zu sein. Er habe nur auf Medienberichte über Ermittlungen gegen einen kanadischen Anbieter reagiert, bei dem er vor Jahren Kunde war, teilte der Innenpolitiker dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ per E-Mail mit.
Laut Staatsanwaltschaft Hannover geht es um Bilder mit nackten Jungen zwischen 9 und 13 Jahren, was rechtlich gesehen im Grenzbereich zur Kinderpornografie liegen soll. Edathy wehrte sich auch gegen den Vorwurf, er habe vor der Hausdurchsuchung bei ihm Beweismaterial vernichtet. Bei der Durchsuchung der Privat- und Büroräume Edathys hatte die Staatsanwaltschaft nur wenig Beweismaterial gefunden. Einige Festplatten waren offenbar zerstört.