Planung des Ausstiegs Eiertanz um die Kohlekommission - Opposition sieht „Chaos“
Berlin (dpa) - Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt nicht richtig in Schwung. Die Einsetzung einer Kommission zur Zukunft der klimaschädlichen Kohlekraftwerke ist erneut verschoben worden.
Der geplante Beschluss wurde am Mittwochmorgen überraschend wieder von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen - nachdem er erst am Dienstag auf die Agenda gekommen war. Nach dpa-Informationen sollte CSU-Chef Horst Seehofer noch bei Besetzungsfragen grünes Licht geben, aber er saß am Dienstag länger als geplant im Innenausschuss des Bundestags, um über die Versäumnisse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Auskunft zu geben. So kam es zur Verschiebung.
Aus Regierungskreisen hieß es, in der Sache sei man sich einig, es habe organisatorische Gründe für die Verschiebung gegeben. Eine Regierungssprecherin sagte, die Personalliste sei noch nicht „ausgereift“. Die Zeit habe nicht gereicht, alle Fragen bis zur Kabinettssitzung final abzustimmen. Das lasse sich aber schnell nachholen und sei kein Problem für die Arbeit der Kommission.
Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ soll bis Ende 2018 ein Enddatum für den Kohleausstieg festlegen. Außerdem geht es um Perspektiven für neue Arbeitsplätze in den besonders betroffenen Braunkohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag), die Kommission werde vor den Sommerferien starten. „Mir ist wichtig, dass wir den Kohleausstieg zügig einleiten, um die Klimaziele zu erreichen.“
Für die Opposition ist das Hin und Her um die Kommission ein Spiegelbild der bisherigen Regierungsarbeit von Union und SPD. So hakt es auch beim ebenfalls seit Wochen geplanten Beschluss zum Rückkehrrecht für Beschäftigte, die eine Zeit lang Teilzeit gearbeitet haben, auf Vollzeitstellen. Die Regelung soll für Unternehmen ab 45 Mitarbeitern gelten.
Auch bei der Regelung zum Familiennachzug geflüchteter Menschen gibt es Widerstände, hier besonders auf der SPD-Seite, zudem ringt Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer um eine Regelung für die sogenannten Ankerzentren. Die meisten Länder stellen sich hier bisher quer. Seehofer will spätestens bis September bis zu sechs Zentren eröffnen, in denen Ausländer bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens und einer möglichen Abschiebung wohnen sollen.
Neben der Verlängerung einiger Auslandseinsätze der Bundeswehr ist der wichtigste Beschluss der Regierung bisher der zum Haushalt für das laufende Jahr gewesen - dem muss der Bundestag noch zustimmen.
Bei der Kohle-Kommission soll Bahn-Vorstand Ronald Pofalla einer der vier Vorsitzenden werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Pofalla war früher Generalsekretär der CDU sowie Kanzleramtsminister. Als weitere Vorsitzende sind die früheren Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), vorgesehen, außerdem die Volkswirtin Barbara Praetorius, früher Vize-Direktorin der ökologischen Denkfabrik Agora Energiewende. Weitere Mitglieder werden Vertreter von Industrie- und Umweltverbänden, Gewerkschaften, Kommunen und aus der Wissenschaft.
Um die Besetzung und den genauen Auftrag der Kommission gibt es seit Wochen Streit. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf dem federführenden Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor, für das „Chaos“ verantwortlich zu sein. „Grundsatzfragen eines Kohleausstiegs in eine Kommission zu verlagern, ist an sich schon Ausdruck von politischer Schwäche“, sagte Krischer dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND).
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte: „Erst fehlt der großen Koalition der Mumm, selbst über den Kohleausstieg zu entscheiden, und sie verlagert das in eine Kommission. Und jetzt hat sie sogar Angst vor der Entscheidung über die Kohlekommission selbst.“
Wie hart die Konflikte in der Kommission werden, zeigte sich am Mittwoch im Brandenburger Landtag. Während Grüne und Umweltschützer einen raschen Kohleausstieg fordern, da immer mehr Ökostrom und Gaskraftwerke das Land mit ausreichend Energie versorgen können und bis 2022 auch noch Atomkraftwerke am Netz sind, ist Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) gegen ein konkretes Enddatum. Er sagte, derzeit hätten die Betreiber in der Lausitz einen Ausstieg in etwa 25 Jahren avisiert, jedes vorgezogene Datum würde in eine ökonomische und soziale Krise führen.
Aber zugleich ist jetzt schon klar, dass Deutschland sein Klimaziel 2020 von 40 Prozent weniger Treibhausgasausstößen im Vergleich zum Jahr 1990 klar verfehlen wird. Da Braunkohle der mit Abstand klimaschädlichste Energieträger ist, gibt es viel Potenzial, um beim Klimaschutz und im Kampf gegen die Erderwärmung voranzukommen.