Entern die Piraten das Berliner Parlament?
In Umfragen zur Wahl schafft die Partei erstmals den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.
Berlin. Mit Dreispitz, Enterhaken und einer Flasche Rum ist Andreas Baum nicht anzutreffen. Der 32-jährige Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Berlin-Wahl verzichtet auf bunte Inszenierungen. „Eigentlich haben wir das gar nicht nötig“, sagt Baum. Die Piraten, die für Freiheit im Netz, Transparenz und Bürgerbeteiligung eintreten, haben allen Grund, fünf Jahre nach ihrer Gründung selbstbewusst aufzutreten.
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September könnten die Neulinge im Politikbetrieb Furore machen und erstmals in ein Parlament einziehen. Nach aktuellen Umfragen erreichen die Piraten zwischen 5,5 und 6,5 Prozent der Stimmen. Die FDP kommt nach den Wähler-Befragungen nur auf drei Prozent und damit nicht ins Abgeordnetenhaus.
Mit dem ironisch gemeinten Slogan „Keine Experimente“ gehen die Piraten, die den Nerv jüngerer Internet-Nutzer treffen, auf Stimmenfang. Mitten in der Grünen-Hochburg Prenzlauer Berg setzt der Kandidat für das Abgeordnetenhaus, Christopher Lauer (27), auf Straßenwahlkampf der einfachen Art — nur mit Flyern und einer schmalen Partei-Zeitung. Das Wahlkampf-Budget fällt mit einigen zehntausend Euro auch recht knapp aus.
Inhaltlich geben sich die Piraten ebenfalls bescheiden. „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten“ — das gehöre zu den Leitgedanken bei der politischen Themenentwicklung, sagt Bundeschef Sebastian Nerz. Der Berliner Spitzenkandidat Baum musste in einer Talkrunde etwa auch eingestehen, dass er den Schuldenberg der Hauptstadt nicht kennt. Kritiker werfen den Politik-Neulingen zudem vor, dass ihre Forderungen — wie die Einführung eines „fahrscheinlosen“ öffentlichen Nahverkehrs — nicht durchgerechnet und damit nicht finanzierbar seien.
Die etablierten Parteien können die Piraten, die rund 12 000 Mitglieder bundesweit haben, aber nicht mehr als Spaßpartei für die Generation Internet abtun. Aus Sicht des Parteienforschers Oskar Niedermayer bilden die Piraten eine Art Protestventil. Von Politikern eigentlich enttäuschte Bürger könnten sich für die Partei begeistern, die für eine „gläserne Volksvertretung“ eintritt.