Ermittler: Laxer Umgang mit BND-Spionage unter Freunden

Berlin (dpa) - Die Ermittlergruppe des Bundestags zum BND hat einen jahrelang laxen Umgang des Auslandsgeheimdiensts und der Bundesregierung mit der politisch sensiblen Spionage unter Freunden aufgedeckt.

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Die Analyse der Abläufe bei der teils rechtswidrigen Spionage des Bundesnachrichtendiensts gegen EU- und Nato-Partnerländer „lässt den Schluss zu, dass im BND keine regelmäßige Eingriffs-Nutzen-Abwägung (...) stattgefunden hat“, heißt es in der Bewertung des Parlamentsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr).

Auch die Bundesregierung wird in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Papier kritisiert. „Eine der Komplexität entsprechende Dienstaufsicht und ein rechtlich und qualitätssicherndes Controllingsystem sind nicht erkennbar geworden“, stellen die Kontrolleure nach monatelangen Untersuchungen im BND und im Kanzleramt fest. Die Dienstaufsicht über den Bundesnachrichtendienst führt das Kanzleramt.

Es geht um den Umgang mit 3300 umstrittenen BND-Zielen in der EU und in Nato-Staaten. Der vom PKGr eingesetzten Ermittlergruppe gehören die Abgeordneten Armin Schuster (CDU), Uli Grötsch (SPD) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) an. Sie hatten vom 16. Oktober 2015 bis zum 22. Februar 2016 Gespräche im Kanzleramt sowie beim BND in Berlin und am bayerischen Stammsitz Pullach geführt.

Das alle vier Jahre neu zu erstellende „Auftragsprofil der Bundesregierung“ (APB) enthalte „zwar konkret definierte Schwerpunkte der Informationserwartung der Bundesregierung an den BND“, bemängeln die Abgeordneten. Die darin enthaltenen Details „begrenzen die strategische Fernmeldeaufklärung des BND jedoch nicht bezüglich politisch sensibler Aufklärungsziele bzw. geben keinen ausreichenden Verhältnismäßigkeitsmaßstab zum Einsatz der nachrichtendienstlichen Mittel vor“.

Aus den von den Ermittlern gesichteten Akten und den juristischen Ausführungen zum auftragsgemäßen Abhören von Telefonaten oder zur Spionage im Internet werde ersichtlich, „dass es Ziel des BND war, die gesetzgeberisch weiten Handlungsspielräume (...) zu nutzen“, schreiben die Kontrolleure. „Nur in Ansätzen“ finde sich dagegen eine vertiefte und mit der BND-Leitung oder der Fachaufsicht - dem Kanzleramt - abgestimmte juristische Abwägung des Grundrechtsschutzes oder eine Abwägung der politischen Sensibilität.

Erstaunt konstatieren die Kontrolleure: Angesichts der lediglich groben Rahmensetzung der Regierung wäre zu erwarten gewesen, dass der BND etwa über eine Dienstvorschrift oder über Handlungsleitfäden begrenzende Standards für die Fernmeldeaufklärung gesetzt hätte. In Gesprächen mit BND-Vertretern und aus Akten „sind solche einheitlichen, schriftlichen Vorgaben allerdings nicht erkennbar geworden“, bemängeln die Abgeordneten. Der BND habe diese Form der Spionage „als risikoarm in Bezug auf Rechtsverletzungen“ betrachtet.

„Deshalb wurde die Notwendigkeit einer Dienstvorschrift nicht für geboten erachtet“, heißt es kritisch. Dies gelte für die interne Aufsicht beim BND wie für die Fachaufsicht im Kanzleramt. Vielmehr sei bei den Parlamentariern nach Sichtung der Unterlagen der Eindruck entstanden, dass innerhalb der Abteilung Technische Aufklärung (TA) - zuständig für die Spionage in den weltweiten Telekommunikationsnetzen - „mit (teils nur mündlich übermittelten) Einzelweisungen für jeden denkbaren Einzelfall gearbeitet wurde“.

Regierung, Parlament und BND sind nach den Ermittlungen der Abgeordneten gegenwärtig dabei, Konsequenzen zu ziehen. So erarbeiten externe Fachleute der Unternehmensberatung Roland Berger Vorschläge für geänderte Abläufe im BND und besonders in der Abteilung Technische Aufklärung. Das Kanzleramt und die Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben Entwürfe für ein schärferes BND-Gesetz mit strengeren Regeln für die Spionage und besseren Kontrollmöglichkeiten vorgelegt. Über die Entwürfe berät derzeit der Bundestag. Das neue BND-Gesetz soll Anfang kommenden Jahres in Kraft treten.