Erneut Streit um Homöopathie auf Kassenkosten

Barmer-Chef Straub verteidigt die "sanfte Medizin". Streit ist auch um die Apothekenpflicht entbrannt.

Homöopathische Mittel, die die Krankenkassen bezahlen, werden ausschließlich in Apotheken angeboten. Beides ist umstritten. (Symbolbild)

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Wuppertal/Berlin. Der Chef der Barmer-Krankenkasse, Christoph Straub, hat alternative Behandlungen wie Homöopathie verteidigt. „Wir leben in einer pluralen Gesellschaft, die diese Behandlungsform wünscht", sagte Straub jetzt in einem Interview. Die entsprechenden Mittel werden ausschließlich in Apotheken angeboten und inzwischen von den meisten gesetzlichen Kassen bezahlt. Beides ist umstritten.

Beliebt sind sie allemal: Experten gehen davon aus, dass 60 Prozent der Bundesbürger auf homöpathische Mittel in Form von Kügelchen (Globuli), Kapseln oder Tropfen zurückgreifen. Während Nutzer auf die auch als „sanfte Medizin“ bekannten Therapien schwören, halten Kritiker sie für Scheinmedikamente mit zweifelhaftem Nutzen. Die CDU-Verbraucherschutzexpertin Mechthild Heil forderte deshalb kürzlich, die Apothekenpflicht für solche Mittel abzuschaffen.

Für die meisten dieser Präparate liege kein Nachweis der Wirksamkeit vor, argumentierte Heil. Gleichwohl erwecke der ausschließliche Verkauf in Apotheken den Anschein, es würde sich um wissenschaftlich anerkannte Alternativen zur Schulmedizin handeln, so Heil.

Anders klingt es bei der Opposition: „Homöopathika sind ganz klar Arzneimittel, und darum sollten sie nur in Apotheken vertrieben werden, auch wenn es genügend Hinweise auf fehlende Wirksamkeit gibt“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, unserer Zeitung.

Patienten müssten die Möglichkeit haben, sich auch eine wissenschaftlich fundierte Einschätzung einzuholen. Da seien die Apotheker gefordert, so Vogler. Ähnlich sieht man das auch bei den Grünen. Und der Zentralverein homöopathischer Ärzte warnte gar: „Eine Aufhebung der Apothekenpflicht würde den Verbraucherschutz nicht stärken, sondern deutlich schwächen".

Ein weiterer Stein des Anstoßes ist die Tatsache, dass mittlerweile fast 90 Prozent der insgesamt 113 gesetzlichen Krankenkassen Alternativtherapien bezahlen. Im Interesse des Wettbewerbs hatte der Gesetzgeber den Kassen die Möglichkeit eingeräumt, ihre freiwilligen Leistungen auszubauen. In der Praxis sind das neben der Homöopathie zum Bespiel auch bestimmte zahnärztliche Leistungen oder die Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Laut Bundesregierung verausgabten die Kassen dafür im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Fast doppelt so viel wie 2012. Nach Angaben von Barmer-Chef Straub macht der Anteil für Homöopathie aktuell aber nur 0,01 Prozent der gesamten Leistungsausgaben der Kassen aus. Das sind rund 22 Millionen Euro. Für die Linken-Politikerin Vogler ist auch das schon zu viel: „Alles was keinen Nutzen für die Patientinnen und Patienten aufweisen kann, darf nicht über Gelder der Versichertengemeinschaft finanziert werden“:

Dagegen gab Straub zu bedenken, dass es in der Medizin immer wieder Phänomene wie den Placebo-Effekt gebe, "die sich nicht mit einem eindeutigen naturwissenschaftlichen Nutzennachweis klären lassen". Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sieht in diesem Zusammenhang sogar einen möglichen Spareffekt für die Kassen.

„Es gibt Homöopathie, die zusätzlich zur normalen Schulmedizin genommen wird. Aber es gibt auch Homöopathie, die statt Schulmedizin genommen wird“, sagte Wasem unserer Zeitung. Das gelte zum Beispiel bei Antibiotika, so Wasem. Konkrete Untersuchungen darüber gibt es bislang allerdings nicht.