EU-Gipfel scheitert bei Spitzenjobs

Brüssel (dpa) - Der EU-Gipfel ist bei der Besetzung Brüsseler Spitzenposten gescheitert. Nach dem Fehlschlag geht der Kampf um Einfluss und Macht in Europa weiter.

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Die Staats- und Regierungschefs wollen sich erst bei einem weiteren Sondertreffen am 30. August auf einen neuen Außenbeauftragten und den nächsten Gipfelchef einigen. Dabei wird eine ausgewogene Gesamtlösung angestrebt, wie Ratspräsident Herman Van Rompuy am Donnerstagmorgen in Brüssel nach fünfstündigen Beratungen ankündigte.

Damit gibt es knapp zwei Monate nach der Europawahl immer noch kein klares Bild der neuen EU-Führung. „Wir waren noch nicht an einem Punkt, an dem eine Konsens-Lösung für das gesamte Paket der Nominierungen möglich war“, bilanzierte Van Rompuy, dessen Mandat Ende November ausläuft. Der Gipfel einigte sich zugleich darauf, in der Ukraine-Krise den Druck auf Moskau zu erhöhen und nun auch verstärkt Unternehmen zu bestrafen.

Im Postenpoker muss ein Gleichgewicht zwischen den Parteienlagern gefunden werden. Die europäischen Sozialdemokraten beanspruchen zwei der vier Spitzenjobs für sich. Der Konservative Jean-Claude Juncker wurde bereits zum Kommissionspräsidenten gewählt. Zu den Topposten gehört auch ein hauptamtlicher Chef der Euro-Finanzminister. „Wenn es keine Gesamtlösung gibt, gibt es gar keine Lösung“, sagte Van Rompuy. Er organisiert als Ratspräsident die Gipfel.

Der italienische Premier Matteo Renzi will Außenministerin Federica Mogherini als Nachfolgerin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton durchdrücken. Kritiker aus Osteuropa halten der seit Februar in Rom amtierenden Mogherini mangelnde Erfahrung und eine zu russlandfreundliche Haltung vor. „Es gab keine andere Kandidatur als die Italiens“, so Renzi nach dem Gipfel. Frankreichs Staatspräsident François Hollande und andere EU-Spitzen sagten zugleich, es sei nicht vertieft über Personen debattiert worden.

Der Sozialdemokrat Renzi äußerte ungewöhnlich harsche Kritik am Gipfelmanagement: „Das nächste Mal reicht eine SMS vorher, und dann sparen wir uns die Kosten für die Staatsflüge nach Brüssel.“ Man sei für eine Einigung gekommen, die es dann nicht gegeben habe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte hingegen, es sei wichtig gewesen, bei dem Spitzentreffen eine erste Diskussion zu haben. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dann auch zu Entscheidungen kommen“, betonte sie mit Blick auf den neuen Termin Ende August. „Es ist ein bisschen unglücklich, aber nicht dramatisch, überhaupt nicht dramatisch“, meinte Van Rompuy zur Personal-Hängepartie.

Mehrere Gipfelteilnehmer sagten, der Posten des Außenbeauftragten, der die europäische Diplomatie vertritt, solle an die Sozialdemokraten gehen. Merkel sagte, dafür gebe es „eine gewisse Logik“. Die Sozialdemokraten hatten bei der Europawahl Ende Mai als zweitstärkste Kraft abgeschnitten. Sie trugen auch zu Junckers Kür im Parlament bei.

Die EU-„Chefs“ sind sich weitgehend einig, dass der neue Ratspräsident nicht nach parteipolitischen Kriterien ausgewählt wird. „Er soll alle vertreten“, sagte Renzi. Merkel resümierte: „Da sollten wir jetzt nicht wieder parteipolitische Betrachtungen machen, sondern da sollten wir uns überlegen, wer ist für uns als 28 Regierungschefs der Beste, der uns zusammenhält.“ Merkel feierte bei dem Spitzentreffen ihren 60. Geburtstag.

Die Mitgliedstaaten sind laut Merkel aufgefordert, bis Ende Juli Vorschläge für ihre nationalen Kommissare zu machen. Berlin hatte bereits mitgeteilt, dass Günther Oettinger (CDU) in Brüssel bleiben soll. Oettinger leitet seit 2009 das Energieressort.

Van Rompuy sagte, es sei nicht ausgemacht, dass es bei der Zusammenstellung von Junckers Kommission Verzögerungen geben werde. Sie soll am 1. November ihre Arbeit aufnehmen. Der Außenbeauftragte ist zugleich ein Vize-Chef der Kommission. Die Kommissare sollen im Herbst im Europaparlament angehört werden - die Volksvertretung stimmt dann auch noch über das ganze Kollegium ab. Juncker fordert, mehr Frauen in die Brüsseler Chefetage zu entsenden.

Polens Regierungschef Donald Tusk bekräftigte, dass Außenminister Radoslaw Sikorski sein Kandidat für das Amt des EU-Chefdiplomaten bleibe. Zu Spekulationen, er selbst könne als Nachfolger Van Rompuys nach Brüssel gehen, sagte Tusk, für ihn habe die polnische Politik Vorrang. Er sei aber „für alle Varianten“ offen. Tusk werden in Brüssel mangelnde Englisch-Kenntnisse vorgehalten.

Der Gipfel beschloss erstmals Sanktionen gegen russische Unternehmen, wenn diese zur Destabilisierung der Ukraine beitragen. Die Union wird auch prüfen, ob milliardenschwere Oligarchen oder Konzerne, die die Annexion der Krim unterstützen, auf die schwarze Liste kommen. Die EU-„Chefs“ forderten in einer Erklärung einen dauerhaften Waffenstillstand in der Ukraine. Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten erschüttern den Osten des Landes. Die von Sanktionen betroffenen Unternehmen dürfen keine Geschäfte mehr mit EU-Konzernen machen und können nicht mehr über Vermögenswerte in der EU verfügen. Anzahl und Namen der Firmen blieben zunächst offen.