EU-Kommission für radikale Europäisierung des Asylrechts

Brüssel (dpa) - Zur langfristigen Entschärfung der Flüchtlingskrise schlägt die EU-Kommission eine radikale Europäisierung des Asylrechts vor. Sollten die 28 Mitgliedstaaten zustimmen, könnten Anträge von Schutzsuchenden in Zukunft nach einheitlichen Standards geprüft werden.

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Dazu ist angedacht, die Verantwortung für die Bearbeitung von Asylansprüchen von der nationalen auf die EU-Ebene zu verlegen. Wenn die Mitgliedstaaten diesen Vorschlag ablehnen, soll nach Angaben der Kommission weiter „auf Basis des bestehenden Dublin-Systems“ gearbeitet werden.

Damit bliebe der Staat, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betritt, für das Verfahren und die Entscheidung zuständig. Dies sei aber die „weniger ambitionierte“ Option, räumte der Vertreter der Kommission in Deutschland, Richard Kühnel, am Dienstag ein.

Die EU-Kommission will die Vorschläge an diesem Mittwoch offiziell vorstellen. Die „Welt“ hatte bereits vorab über die Pläne berichtet.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigte sich offen für mehr europäische Zusammenarbeit bei Asylverfahren. Derzeit würden in manchen Ländern zehn Prozent der Asylbewerber anerkannt, in anderen Ländern 90 Prozent, sagte der CDU-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. „Da darf man sich nicht wundern, dass die Asylbewerber in das Land gehen, wo die Anerkennungswahrscheinlichkeit höher ist“.

Nach Informationen der „Welt“ wird die EU-Kommission konkret vorschlagen, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) von einer einfachen EU-Agentur in eine Agentur mit Entscheidungsbefugnissen umzuwandeln. Diese könnte dann künftig in jedem Land einen Ableger haben und auch Einsprüche gegen die jeweiligen Bescheide bearbeiten.

Als eine Option zur Überarbeitung des aktuellen Dublin-Systems wird laut „Welt“ ein Festhalten am bestehenden Verfahren mit einem „korrigierenden Fairness-Mechanismus“ vorgeschlagen. Dieser Mechanismus zur Verteilung von Asylbewerbern innerhalb der EU könnte immer dann ausgelöst werden, wenn ein Mitgliedstaat bei der Aufnahme von Asylbewerbern überfordert ist.

Als andere Option soll vorgeschlagen werden, die Asylbewerber künftig anhand von Kriterien wie der Aufnahmekapazität der Mitgliedstaaten und bestehender Familienverbindungen der Migranten fair auf die einzelnen EU-Länder zu verteilen. Die Aufnahmekapazität könnte demnach nach „der relativen Größe, dem Reichtum und den Aufnahmekapazitäten der Mitgliedstaaten“ berechnet werden.

Wie es mit den Vorschlägen aus Brüssel weitergeht, ist noch unklar. Kommissionsvertreter Kühnel betonte, es handele sich noch nicht um einen förmlichen Gesetzesvorschlag, sondern um einen Anstoß für einen Diskussionsprozess in den Mitgliedsstaaten.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte die Hoffnung, dass ein Erfolg der Flüchtlings-Vereinbarungen mit der Türkei den innereuropäischen Streit über den richtigen Kurs in der aktuellen Migrationskrise entschärfen könnte. „Wenn sich zeigt, dass das Abkommen trägt und dass sich die Gesamtsituation entspannt, dann könnte es vielleicht auch eine Situation sein, in der wir jetzt zurückkommen in einen gemeinsamen europäischen Diskurs“, sagte er. Kühnel nannte das Abkommen mit der Türkei als „echten Quantensprung für eine europäische Lösung“.