EU macht Kampf gegen Steuerflucht zur Chefsache

Brüssel/Dublin (dpa) - Die Europäische Union (EU) macht den Kampf gegen die grenzüberschreitende Steuerflucht zur Chefsache. Die europäischen Staatenlenker werden bei ihrem nächsten Gipfeltreffen am 22. Mai über das Reizthema sprechen, kündigte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy an.

Jährlich verliere die EU etwa eine Billion Euro an Steuereinnahmen durch Steuervermeidung und Steuerflucht. „Wir können es uns einfach nicht leisten, Steuervermeidung hinzunehmen.“

Das von vielen erhoffte Ende des Bankgeheimnisses beschäftigte auch die europäischen Finanzminister in Dublin. Luxemburg mit seinem bedeutenden Finanzplatz hatte vor einigen Tagen angekündigt, das Steuergeheimnis für Anleger aus anderen EU-Staaten aufzuweichen. Auch Österreich hatte sich kompromissbereit gezeigt. Beide Länder nehmen im Rahmen der EU-Zinssteuerrichtlinie nicht am sonst üblichen Informationsaustausch über Zinseinkünfte teil.

In Dublin bekam der Vorstoß Deutschlands und vier weiterer EU-Länder, den automatischen Informationsaustausch der seit 2005 geltenden EU-Zinsrichtlinie hinaus zu erweitern, zusätzlichen Rückenwind. Neben Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien zieht nun auch Polen mit. Die Gruppe will ein Pilotprojekt auf die Beine stellen.

„Es ist wichtig, dass die EU die Führung bei diesem Thema übernimmt“, sagte der französische Finanzminister Pierre Moscovici. Sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble äußerte sich angesichts der breiten öffentlichen Diskussion „optimistisch, dass wir bald zu Ergebnissen kommen“. Nach Vorstellung der mittlerweile von sechs Ländern unterstützten Initiative solle die Zinssteuerrichtlinie künftig alle Kapitaleinkünfte umfassen, sagte Schäuble. Bisher sind nur Zinszahlungen betroffen, aber zum Beispiel keine Dividendeneinkünfte. Die EU-Kommission solle den Auftrag erhalten, entsprechende Regeln mit Drittstaaten auszuhandeln.

Luxemburg kritisierte den Vorstoß. Es solle eher in der Runde aller 27 Staaten debattiert werden, sagte Finanzminister Luc Frieden. „Es ist nicht gut, wenn einige sich aus manchmal innenpolitischen Gründen den Anschein geben, dass sie schneller sind als andere.“ Luxemburg werde sich dem Vorstoß aber nicht widersetzen, unterstrich Frieden.

Er forderte nach der spektakulären Kehrtwende zum Steuergeheimnis in seinem Land auch auf weltweiter Ebene Bewegung. „Ich finde es überraschend, dass die G20 es bisher nicht geschafft haben zu beschließen, dass der automatische Informationsaustausch der internationale Standard ist.“ In der G20-Gruppe sind die mächtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt vereinigt.

Ab 1. Januar 2015 wird das Land die Steuerbehörden der anderen EU-Länder automatisch über Zinszahlungen informieren, die an Personen in diesen Staaten gezahlt werden. „Wir wollen damit das Wachstum unseres Finanzsektors absichern“, sagte der Ressortchef. „Ich sehe jeden Tag neue Kunden hinzukommen.“

Bisher hatten das Großherzogtum und Österreich die Neufassung der EU-Zinssteuerrichtlinie blockiert. Mit Blick auf anstehende EU-Verhandlungen mit Drittländern wie der Schweiz und den automatischen Informationsaustausch sagte Frieden: „Wenn das der internationale Standard ist, dann sollte er überall angewandt werden.“