EU-Parlament stimmt für Schockbilder auf Zigarettenpackungen
Straßburg (dpa) - Schockbilder und Warnhinweise auf Zigarettenpackungen sollen in Zukunft das Rauchen in Europa unattraktiv machen und vor allem Jugendliche abschrecken.
Das EU-Parlament stimmte am Dienstag in Straßburg für schärfere Bestimmungen bei diesem heiß umstrittenen Thema. Die Parlamentarier schwächten allerdings in manchen Punkten strengere Vorschläge der EU-Kommission ab.
Warnhinweise sollen, wie von den Regierungen der EU-Staaten vereinbart, auf den Packungen 65 Prozent der Vorder- und Rückseiten ausmachen. Die EU-Kommission hatte 75 Prozent empfohlen. Aktuell bedecken Warnhinweise 30 Prozent der Vorderseite und 40 Prozent der Rückseite von Zigarettenpackungen. Für das Verbot von Menthol-Zigaretten gilt eine mehrjährige Übergangsfrist. Andere Zusatzstoffe wie Schokolade oder Vanille sollen in etwa drei Jahren verboten werden.
Slim-Zigaretten dürfen auch in Zukunft weiter verkauft werden - allerdings werden verführerische Verpackungen wie in Form von Lippenstiften verboten. Elektronische Zigaretten können auch künftig in Tabakgeschäften verkauft werden. Anträge, sie als medizinische Produkte einzustufen und nur über Apotheken zu verkaufen, wurden zurückgewiesen.
Die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt nannte das Votum ein „insgesamt akzeptables Ergebnis, wenn auch mit einem sehr bitteren Beigeschmack“. Sie bemängelte die Erlaubnis, Slim-Zigaretten weiterhin zu verkaufen und Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten als normale Tabakprodukte zu führen.
In den über 100 Änderungsanträgen wurden auch kleinste Detailfragen geregelt. So wurde die Bestimmung von Artikel 13 Paragraf eins gestrichen, dass Zigarettenschachtern „quaderförmig“ sein sollen. Geblieben ist nur die Formulierung, dass jede Schachtel „mindestens 20 Zigaretten enthalten soll“. Damit sind Sonderformen wie Lippenstifthalter für Slim-Zigaretten ausgeschlossen.
Nun beginnen Verhandlungen mit den Regierungen, um sich über Einzelheiten zu einigen. Angesichts der großen Mehrheit im Parlament stehen die Chancen gut, dass der Gesetzestext noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Vor allem Jugendliche sollen davon abgehalten werden, überhaupt mit dem Rauchen anzufangen.
Durch Tabakkonsum sterben in der EU schätzungsweise 700 000 Menschen pro Jahr. EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg sagte, das bedeute, dass „die Bevölkerung einer Stadt wie Krakau in Polen oder Palermo in Italien jedes Jahr ausradiert wird“. Laut Umfragen sollen 75 Prozent der Bevölkerung für große Warnhinweise auf Zigarettenpackungen sein.
Nach Angaben des Christdemokraten Karl-Heinz Florenz stecken in jeder Zigarette bis zu 100 verschiedene Substanzen, wobei die brennende Zigarette ein wahres Abgas-Gemisch direkt unter der Nase entstehen lasse. „Wenn Zigaretten heute als ganz neue Produkte auf den Markt kämen, würden sie nicht zugelassen werden“, sagte er. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP im EU-Parlament, Holger Krahmer, wandte sich gegen detaillierte Vorschriften. „Mir stellt sich zum Beispiel die Frage, ob der Gewinn für den Gesundheitsschutz durch ein Verbot von Aromastoffen oder durch eine Vergrößerung der Fläche für die sogenannten Schockbilder von 50 auf 65 oder 75 Prozent sinnvoll belegbar ist“, sagte er.
Kritisch reagierte die Firma Reemtsma aus Hamburg. „Vergrößerte und bildliche Warnhinweise bieten keine neuen Informationen, sind aber ein direkter Angriff auf unsere Markenrechte“, hieß es in einer Mitteilung.
In Tabakanbau, -verarbeitung und -handel sind in Deutschland rund 52 000 Menschen beschäftigt. Weitere 55 000 Arbeitsplätze hängen nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten indirekt an der Branche. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt eine schärfere EU-Richtlinie ab.