Vorwurf des Justizversagens Fassungslosigkeit nach Suizid des Terrorverdächtigen

Dresden/Berlin (dpa) - Zahlreiche Ungereimtheiten beim Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in einem Leipziger Gefängnis bringen Sachsens Justiz in Erklärungsnot.

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Der als hochgefährlich eingestufte Syrer war am Mittwoch in seiner Zelle erhängt aufgefunden worden.

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Parteiübergreifend wurde Kritik daran laut, dass die Verantwortlichen nicht erkannten, dass er sich das Leben nehmen könnte. Er sei in Haft wie ein „Kleinkrimineller“ behandelt worden, kritisierte selbst Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD). Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) beteuerte hingegen, man habe alles Nötige unternommen, um einen Suizid zu verhindern.

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Al-B. hatte sich am Mittwochabend an einem Gitter seiner Zelle mit einem T-Shirt aufgehängt. Der 22-Jährige soll einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant und bereits weitestgehend vorbereitet haben. Er war am Montag in Leipzig festgenommen worden.

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Die Verantwortlichen im Gefängnis gingen davon aus, dass „keine akute Suizidgefahr“ bestand. „Er war ruhig, er war sachlich. Es gab keine Hinweise auf irgendwelche emotionalen Ausfälle“, sagte Gefängnisleiter Rolf Jacob. Selbstkritisch stellte er aber die Frage in den Raum: „Waren wir vielleicht doch ein bisschen zu gutgläubig?“

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Al-Bakr war zunächst alle 15 Minuten in seiner Zelle kontrolliert worden. Eine Psychologin schloss nach einer Untersuchung aber Suizidgefahr weitgehend aus, so dass er danach nur noch alle 30 Minuten kontrolliert werden sollte. Gefunden wurde er aber bereits 15 Minuten nach der letzten Kontrolle, weil eine Justizvollzugsanwärterin ihn aus eigenem Antrieb früher kontrollierte.

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CDU-Vize Julia Klöckner schrieb auf Twitter: „Ein Selbstmordattentäter begeht Selbstmord + die Antwort ist, man sei überrascht, dass er zu so was fähig war. Kann das sein?“ Dulig sagte: „Es ist offensichtlich zu einer Reihe von Fehleinschätzungen sowohl über die Bedeutung, als auch den Zustand des Gefangenen gekommen.“

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Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von institutionellem Versagen, FDP-Vize Wolfgang Kubicki von einem schweren Schlag gegen das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaats. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, der Suizid sei Rückschlag im Anti-Terror-Kampf. „Die Ermittlungen jedenfalls sind dadurch erschwert worden“, sagte der CDU-Politiker. Es werde nun schwerer, mögliche weitere Tatbeteiligte, Hintermänner und Netzwerke zu finden.

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Al-Bakr hatte auch Hand an die Elektrik in seiner Zelle - die Deckenleuchte und eine Steckdose - gelegt, wie die Gefängnisleitung berichtete. Jacob sprach von Vandalismus. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte dagegen: „Spätestens nach der Manipulation an der Lampe lag die Vermutung nah, dass der Inhaftierte dazu entschlossen war, sich etwas anzutun.“ Eine Sitzwache sei nötig gewesen.

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Die Leiche wurde am Donnerstag obduziert, das Ergebnis für Freitag erwartet.

Gefängnischef Jacob betonte, insgesamt betrachtet hätten sich seine Mitarbeiter an alle Vorschriften gehalten. Der Leiter selbst war bis Mittwochabend im Urlaub. In der Leipziger Haftanstalt seien auch früher Selbsttötungen vorgekommen, berichtete Jacob. Videoüberwachte Räume gebe es nicht. Dies sei für Untersuchungshafträume in Sachsen gesetzlich ausgeschlossen. Jacob sagte, im Falle von Suizidgefahr hielte er auch eine Sitzwache vor der Zellentür für besser.

Al-Bakrs Pflichtverteidiger Alexander Hübner zeigte sich „entsetzt und traurig“ über den Suizid. „Egal was dem Mandanten vorgeworfen wird: Es ist ein junger Mensch, der sich das Leben genommen hat“, sagte der Anwalt der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin davon ausgegangen, dass man ihn ständig beobachtet.“ Er wies auch darauf hin, dass Al-Bakr sich geweigert hatte zu essen und zu trinken. „Das ist ja schon was, dass sich jemand wohl offensichtlich selbst schädigen will“, sagte Hübner im Deutschlandfunk.