FDP-Chef Lindner attackiert Schwarz-Rot
Bonn (dpa) - In Bonn hat die FDP ihre Strategie für den Europa-Wahlkampf festgelegt. Parteichef Lindner knöpft sich die große Koalition vor, die mit teurer Wohlfühlpolitik Deutschlands solides Ansehen in Europa verspiele.
Mit einer scharfen Abgrenzung von Schwarz-Rot will die FDP unter Christian Lindner im Europawahlkampf Boden gut machen. Lindner kritisierte am Sonntag auf einem Parteitag in Bonn, mit ihrer Gefälligkeitspolitik auf Pump verspielten Union und SPD Deutschlands Vorreiterrolle in Europa. Die Delegierten wählten Alexander Graf Lambsdorff mit gut 86 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Europawahl Ende Mai.
Nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl hofft die FDP, dass ihr bei der Abstimmung in Europa einsetzender Wählerfrust über die große Koalition in Berlin Rückenwind verschafft. Lindner beschwor die Partei in seiner Rede, Hauptgegner bei der Europawahl sei Schwarz-Rot, nicht die Euro-kritische AfD.
Die FDP wolle in Europa für flexiblere Arbeitsmärkte, mehr Marktwirtschaft und mehr Bürgernähe kämpfen: „Das braucht Europa. Und ich bin mir sicher, auch Europa braucht diese Liberalen“, sagte Lindner. Union und SPD würden mit ihren Sozialgeschenken die Stabilitätspolitik für Deutschland und den Euro verraten.
Der Parteitag sprach sich gegen die von der großen Koalition angestrebte Finanztransaktionssteuer aus, da sie bisher nur einige EU-Länder einführen wollten. Lindner kritisierte zudem die derzeitigen Pläne für eine Bankenunion. Wenn Länder für die Geschäfte der Banken eines anderen Landes mitverantwortlich seien, bedeute dies die „Transferunion durch die Hintertür“.
Der Europa-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff ist ein Neffe des 2009 gestorbenen, früheren FDP-Chefs und Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff. Der 47-Jährige ist gelernter Diplomat, ließ aber in seiner Rede erkennen, dass er entsprechend der Vorgabe Lindners liberale Wirtschaftspolitik ins Zentrum seines Wahlkampfs stellen will.
Zudem plädierte Lambsdorff dafür, das SWIFT-Abkommen mit den USA über den Austausch von Bankdaten auszusetzen, um im Gegenzug ein amerikanisch-europäisches Abkommen über den Datenschutz zu erreichen.
Lindner warf Union und SPD vor, die Sozialkassen für Rentengeschenke zu plündern. Nach 2017 drohten dann neue Schulden und damit Steuererhöhungen. „Das ist der Wortbruch der Union mit Ansage“, rief Lindner und kritisierte: „Was für ein Signal nach Europa.“
Während Frankreichs sozialistischer Präsident François Hollande inzwischen auf den Kurs der deutschen Marktwirtschaft einschwenke, verlasse Schwarz-Rot diesen erfolgreichen Kurs. „In der gleichen Sekunde, wo Frankreich liberaler wird, wird Deutschland französischer“, meinte Lindner.
Vor fünf Jahren hatte die FDP bei der Europawahl, bei der in Deutschland eine Drei-Prozent-Hürde gilt, ein Traumergebnis von 11 Prozent erreicht. Jetzt wäre Parteivize Wolfgang Kubicki schon mit mehr als fünf Prozent zufrieden. Lindner hat bislang noch kein offizielles Wahlziel ausgegeben.
Der 35-jährige Hoffnungsträger unterstrich, dass die FDP eine Partei mit klarer europäischer Identität bleibe und nicht nach rechts drifte. Die AfD sei eine „rückwärtsgewandte Truppe“, die Europa überhaupt nicht gestalten wolle. Der ehemalige Industriepräsident Hans-Olaf Henkel werde der AfD als Zugpferd nichts bringen: „Jede Tasse hat 'nen Henkel. Auch die trüben“, meinte Lindner.
In der Energiepolitik warb er für eine europäische Energiewende. In acht europäischen Ländern sei die Stromversorgung noch in staatlicher Hand, und damit bei der Preisbildung unflexibel. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) habe mit seinem Konzept einige positive Gedanken vorgelegt, anderes sei noch nicht durchdacht, sagte Lindner, ohne genauere Angaben zu machen.