Nahles verteidigt Rentenpläne
Berlin (dpa) - Die milliardenteuren Rentenpläne von Arbeitsministerin Nahles provozieren Widerspruch. Die Wirtschaft lässt kein gutes Haar an dem Vorhaben, auch Union und SPD sehen noch Diskussionsbedarf.
Jetzt wird bekannt, dass sich die Auszahlung der Mütterrente verzögert.
Die Auszahlung der verbesserten Mütterrente verzögert sich voraussichtlich um einige Monate. Aus technischen Gründen kann das zusätzliche Geld nicht wie geplant ab 1. Juli an die etwa 9,5 Millionen Leistungsberechtigten überwiesen werden. „Spätestens Weihnachten ist das Geld auf dem Konto“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Carola Reimann, dem Magazin „Focus“. Ein Sprecher des Arbeits- und Sozialministeriums betonte am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa: „Die Abwicklung durch die Rentenversicherungsträger wird sicherlich einige Monate dauern. Alle Berechtigten erhalten aber den vollen Betrag von Juli an, auch wenn er erst später ausgezahlt werden sollte.“
CDU, CSU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, Mütter und im Einzelfall auch Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der Rente besserzustellen. Die Mütterente ist Teil eines milliardenschweren Rentenpakets, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vor wenigen Tagen vorlegte und das weiter für massiven Unmut in der Wirtschaft, aber auch in der großen Koalition sorgt.
Die Arbeitgeber fordern bei der geplanten abschlagfreien Rente mit 63 für langjährig Versicherte Einschränkungen. Das Vorhaben, dafür unbegrenzt alle Zeiten von Kurzzeitarbeitslosigkeit anzuerkennen, lehnen sie ab, wie aus einem Positionspapier des Arbeitgeberverbandes BDA hervorgeht. Stattdessen fordern sie, „nur eine kurze Gesamtdauer von Zeiten der Erwerbslosigkeit“ anzurechnen, maximal drei Jahre.
Nach Einschätzung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks beschädigten die Pläne - darunter auch aufgestockte Renten für Erwerbsgeminderte - „das Vertrauen in eine nachhaltige und demografiefeste Rentenpolitik“. „Höhere Lohnzusatzkosten gefährden nachweislich Arbeitsplätze im Handwerk“, heißt es in einer Stellungnahme, aus der „Wirtschaftswoche“ und „Focus“ zitieren.
Nahles verteidigte die schwarz-roten Reformpläne. „Hier sind Menschen, die profitieren, die das verdient haben. Hier wird nichts verschenkt“, sagte sie in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Das sind die Generationen, die dieses Rentensystem über Jahre stabil gehalten haben, die Beiträge eingezahlt haben - oder Frauen, die eben keine Kita hatten, keine Kindergärten, und trotzdem eine sehr große und für uns alle ja wichtige Erziehungsarbeit gemacht haben.“
Die Rentenpläne schlagen nach dem Entwurf von Nahles bis 2030 jährlich mit neun bis elf Milliarden Euro zu Buche. Vorgesehen ist, dass der Bund zur Finanzierung von 2019 an bis zu zwei Milliarden Euro mehr in die Rentenkasse überweist, deren Reserven dann voraussichtlich aufgebraucht sind. Dies soll Beitragssteigerungen zumindest abmildern. Nach Einschätzung von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) muss der Bundeszuschuss sogar „vermutlich schon ab 2018“ steigen, wie er der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag) sagte.
„Der entscheidende Webfehler dieser Rentenreform ist, dass die Koalition die Verbesserung der Mütterrenten aus der Rentenkasse bezahlen will“, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach im „Focus“. Die Mütterrente müsse aus Steuern finanziert werden.
Auch SPD-Politiker wollen darüber neu debattieren. „Die Verbesserungen in der Rente halte ich für richtig. Aber damit wir die Generationengerechtigkeit nicht aus dem Auge verlieren, müssen wir darüber diskutieren, die Steuerfinanzierung der Mütterrente zu stärken“, sagte Bayerns SPD-Chef Florian Pronold der „Bild am Sonntag“. Ähnlich äußerte sich in dem Blatt die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann.
Alt-Bundespräsident Roman Herzog sagte der Zeitung: „Ich mahne, auch bei der Rentenpolitik die Interessen der jungen Generation nicht zu vergessen, denn die muss alle Beschlüsse am Ende bezahlen.“
Die CDU sieht vor allem Änderungsbedarf bei der Rente mit 63. So will der Abgeordnete Jens Spahn keine Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt wissen: „Die abschlagsfreie Rente mit 63 ist das falsche Signal. Wenn sie nun kommen soll, dann nur für die, die wirklich 45 Jahre lang malocht haben“, sagte er der „BamS“.
Der Sozialverband VdK Deutschland dringt auf Nachbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Auch künftig müssten viele Betroffene mit hohen Renten-Abschlägen leben, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag).