Firmen holen Fachkräfte aus der Rente

Berufserfahrung ist gefragt wie nie. Bald ist jeder dritte Beschäftigte in Deutschland älter als 50 Jahre.

Düsseldorf. Viele deutsche Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte. Und dabei entdecken sie zunehmend ältere Mitarbeiter als wertvolle Arbeitskräfte. Der Handelskonzern Otto reaktiviert sogar ehemalige Mitarbeiter, die bereits im Ruhestand sind. „Wir haben gemerkt, dass uns ihr Wissen fehlt“, sagte ein Otto-Sprecher unserer Zeitung. Die 65- bis 75-Jährigen würden bei bestimmten Projekten eingesetzt, bei denen ihre Erfahrung gefragt sei.

Ein Beispiel, das Schule machen könnte. Bisher wurden Über-55-Jährige häufig in Altersteilzeit oder den Vorruhestand geschickt — und das sogar staatlich gefördert. Doch die Beschäftigungsquote der 55- bis 65-Jährigen steigt angesichts der demografischen Entwicklung rapide an. So betrug im Jahr 2000 der Anteil der älteren Mitarbeiter 37,4 Prozent, 2011 lag er laut der EU-Behörde Eurostat bei 59,9 Prozent. Die Zahl dürfte steigen: Bereits 2020 werde jeder dritte Erwerbstätige älter als 50 sein.

Inzwischen buhlen viele Firmen regelrecht um erfahrene Mitarbeiter. „Alle 30 Dax-Konzerne bieten Fördermaßnahmen für ältere Mitarbeiter an“, sagt Alexander Böhne von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Meist handelt es sich um medizinische Vorsorgeangebote oder Weiterbildungsprogramme. Zudem setzen Firmen wie Galeria Kaufhof auf das im langen Arbeitsleben erworbene Fachwissen: „Junge Mitarbeiter bekommen einen älteren Kollegen als Paten zur Seite gestellt“, sagte eine Sprecherin.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht die Entwicklung kritisch: Sie dürfe nicht dazu führen, dass Opa arbeite, die Tochter in Leiharbeit sei und der Enkel nach der Lehre nicht übernommen werde.