Im Interview Friedrich Merz: „Die Steuerbelastung ist zu hoch“

Berlin · Angesichts des milliardenschweren Haushaltsüberschusses fordert der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz von der Koalition eine Steuerreform.

Friedrich Merz (CDU) spricht bei einer Pressekonferenz zu Journalisten während der Klausurtagung der niedersächsischen CDU.

Foto: dpa/Peter Steffen

Bürgern und Unternehmen müsse etwas zurückgegeben werden, so Merz im Gespräch mit unserer Redaktion. Der 64-Jährige unterlag im Dezember 2018 nur knapp Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Wahl zum CDU-Vorsitz. Sein Name fällt nach wie vor mit Blick auf die Kanzlerkandidatur der Union.

F: Herr Merz, was würden Sie mit dem Haushaltüberschuss von 19 Milliarden Euro anstellen?

A: Auf der Ausgabenseite warten dringend notwendige Investitionen – in die Infrastruktur, in die Schulen, in die Modernisierung unserer Verwaltung. Aber auch der Konsum der privaten Haushalte und die Investitionen der Unternehmen sind wichtige Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.

F: Was heißt das konkret?

A: In unseren Unternehmen erwirtschaften die mehr als 30 Millionen Beschäftigten nicht nur Löhne, Gehälter und Gewinne, sondern auch Steuern und Abgaben. Bund, Länder und Gemeinden haben im Jahr 2019 stolze 50 Milliarden Euro Überschüsse erzielt. Der Staat kann übergangsweise Rücklagen anlegen, sollte allerdings nicht mehrfach hintereinander mehr Geld einnehmen als ausgeben.

F: Also?

A: Deswegen wäre es jetzt an der Zeit, Bürgern und Unternehmen etwas zurückzugeben. Falls die gegenwärtige Koalition sich erwartungsgemäß nicht auf eine umfassende Steuerreform einigen kann, sollte sie wenigstens die Steuerbelastung für die Unternehmen senken. Denn Steuerpolitik ist immer auch Standortpolitik, und andere Länder sind diesen Schritt längst gegangen.

F: Aber Finanzminister ist Olaf Scholz, SPD, und der Koalitionsvertrag lässt keine Spielräume. Erwarten Sie trotzdem Bewegung?

A: Der Finanzminister weiß wie die gesamte Bundesregierung, dass die Steuerbelastung der privaten Haushalte und der Unternehmen in Deutschland zu hoch ist. Jetzt stellt sich die Frage, ob diese Koalition und insbesondere die SPD noch die Kraft dazu findet, daran etwas zu ändern, oder ob wir auf die nächste Wahlperiode mit einer anderen Regierungskonstellation warten müssen.

F: Ist nicht auch die Union in der Wirtschafts- und Steuerpolitik zu zaghaft?

A: Eine Steuerreform wäre angesichts hoher Haushaltsüberschüsse und einer sich abschwächenden Konjunktur das richtige Instrument zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Steuern sind in Deutschland im Aufschwung noch schneller gewachsen als die Wirtschaft. Jetzt müsste der Staat gegensteuern, damit wir nicht in eine Rezession abrutschen.

F: Das heißt, Sie erwarten mehr Tempo von ihrer Partei?

A: Ich denke die Union wäre dazu bereit, entsprechende Reformen anzupacken. Aber Politik ist eben immer die Kunst des Machbaren. Und ich habe derzeit den Eindruck, dass es der SPD gar nicht mehr ums Regieren, sondern eher um eine Art Eigentherapie geht. Das macht die Sache nicht leichter.

F: Wären Sie gerne der Kassenwart – oder aber der Wirtschaftsminister?

A: Diese Frage stellt sich im Moment nicht, deswegen mache ich mir darüber keine Gedanken.

F: Aber zuletzt ist viel über die von CSU-Chef Markus Söder geforderte Kabinettsumbildung debattiert worden. Wie ist ihre Haltung dazu?

A: Auch darüber muss ich mir nicht den Kopf zerbrechen, denn das entscheidet die Bundeskanzlerin in Abstimmung mit den Parteivorsitzenden.