Friedrich sieht weiteren Aufarbeitungsbedarf zum NSU-Terror

Berlin (dpa) - Zehn Morde werden den Neonazis des Nationalsozialistischen Untergrunds zur Last gelegt. Ein Jahr nach Auffliegen der Terrorzelle ist für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Aufarbeitung der NSU-Mordserie noch nicht beendet.

„Zusammen mit den Ländern sind wir dabei, Lösungen für eine besseren Informationsaustausch und eine bessere Koordination der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden zu suchen“, teilte der CSU-Politiker am Samstag mit. Zudem habe er einen Reformprozess im Bundesamt für Verfassungsschutz initiiert. Diesen Weg werde man weitergehen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, plädierte für ein zentrales V-Leute-Register, um die Arbeit effektiver zu machen.

Friedrich setzt auch auf die Arbeit der Untersuchungsausschüsse und der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus. „Deren Ergebnisse und Verbesserungsvorschläge werden wir selbstverständlich umgehend prüfen und in unsere Arbeit einfließen lassen.“

Am 4. November vergangenen Jahres hatten sich die mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Thüringen erschossen. Ihr mutmaßliche Komplizin Beate Zschäpe stellte sich vier Tage später der Polizei. Gegen sie soll in Kürze Anklage erhoben werden. Dem jahrelang in Sachsen untergetauchten Trio namens Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) werden neun Morde an Einwanderern sowie an einer deutschen Polizistin zur Last gelegt.

Friedrich erklärte: „Auch nach einem Jahr lässt das Entsetzen darüber nicht nach, dass es dem NSU gelungen ist, so lange unentdeckt zu bleiben und aus menschenverachtenden Motiven das Leben von zehn Mitbürgern auszulöschen. Diese Motive zu erkennen und die vorhandenen Erkenntnisse zu den Tätern hinreichend zu verknüpfen, war den Sicherheitsbehörden zu meinem großen Bedauern nicht gelungen.“ Der Innenminister nahm aber die Ermittler in Schutz: „Bei aller - zum Teil auch berechtigten - Kritik an der Rolle der Sicherheitsbehörden möchte ich doch anmahnen, die Bewertung von Polizei und Verfassungsschutz mit Augenmaß vorzunehmen.“

Verfassungsschutzpräsident Maaßen sagte der „Welt am Sonntag“: „Ein zentrales Wissen ist unabdingbar, um die jeweiligen V-Leute des Bundes und der Landesbehörden für Verfassungsschutz wirksam steuern zu können.“ Einen Verzicht auf Verbindungsleute schloss er aus. „Menschliche Quellen sind und bleiben unverzichtbar, um Erkenntnisse über innere Strukturen und Planungen verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu erlangen.“

Die Linke-Abgeordnete Petra Pau entgegnete, der Verfassungsschutz samt V-Leute-Praxis habe versagt, gerade auch im Skandal um die NSU-Mordserie. „V-Leute sind keine netten Informanten, sondern vom Staat gekaufte Spitzel und bezahlte Täter. Die Vernunft gebietet: nicht registrieren, sondern abschalten.“

Wie Maaßen plädierte auch der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach, für ein zentrales V-Leute-Register. Zur Zeit müsse der Bund den Ländern melden, wo V-Leute geführt würden - aber umgekehrt bestehe diese Meldepflicht nicht, kritisierte der CDU-Politiker dem RBB-Inforadio. „Hier brauchen wir nicht unbedingt die Klarnamen der V-Leute. Aber wir müssten doch wenigstens wissen, wo und in welcher Funktion diese Rechtsextremisten tätig sind.“

Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy, forderte eine bessere Kontrolle des Verfassungsschutzes: „Ich bin ein Freund des Verfassungsschutzes, wenn er denn die Verfassung schützt und nicht beginnt, ein Eigenleben zu führen“, sagte er dem Sender MDR Info. Die Behörde müsse anders aufgestellt werden. Zudem sei eine stärkere interne aber auch parlamentarische Kontrolle nötig. Dem Sender n-tv sagte der SPD-Politiker: „Es ist aus meiner Sicht offenkundig, dass wir unsere Sicherheitsarchitektur überarbeiten müssen.“