Koalition zerstritten: Betreuungsgeld nicht zum Januar
Berlin (dpa) - Die Fronten zwischen Union und FDP haben sich vor dem Koalitions-Spitzentreffen an diesem Sonntag in zentralen Fragen noch einmal verhärtet.
Nach Angaben aus CDU-, CSU- und FDP-Kreisen konnten Unterhändler am Freitag keine Annäherung für eine Entlastung der Kassenpatienten durch die Abschaffung der Praxisgebühr erzielen. Ähnlich sah es bei den Themen Rente und Verkehr aus. Das Betreuungsgeld wird nach Angaben von Unionsfraktionschef Volker Kauder nicht wie geplant zum 1. Januar 2013 eingeführt.
Zwar erwartet Kauder eine Einigung mit der FDP, hält aber die Umsetzung nicht vor April für möglich. „Nachdem wir schon November haben, ist der Zeitplan nicht zu halten“, sagte er den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Samstag).
Die FDP lehnte die Forderung der CSU ab, den Etat von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) 2013 um eine Milliarde Euro für Erhalt und Ausbau von Verkehrswegen aufzustocken. Die CSU will aber darauf pochen. „Das ist konjunkturfördernd und für das Straßennetz extrem wichtig“, hieß es in CSU-Kreisen. Bei den Plänen für eine armutsfeste Rente stritten Union und FDP darum, ob Verbesserungen über Beiträge oder über Steuern finanziert werden sollen. „Es klemmt an verschiedenen Stellen“, hieß es in FDP-Kreisen.
Aus der Union verlautete, die Lage sei schwierig. Die Sitzung am Sonntag werde nicht schnell zu Ende sein. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Die Stimmung ist arbeitsam, von intensiven Gesprächen geprägt und von der Zuversicht, dass es der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien auch bei diesem Koalitionsgipfel gelingen wird, eine gute gemeinsame Linie zu finden.“
Die FDP hielt an der Abschaffung der Praxisgebühr fest, was die CSU für die DAK, die AOK Bayern und die AOK Nordost als problematisch ansieht. Sie seien die Krankenkassen mit einem großen Anteil an armen und kranken Mitgliedern, so dass sie ein Wegfall der Praxisgebühr besonders hart träfe, hieß es bei der CSU. Zur Not würde zwar der Gesundheitsfonds einspringen. Doch bei einem dauerhaften Minus müssten AOK und DAK unter Umständen die Beiträge erhöhen.
Die CSU plädiert bei der Entlastung der Kassenpatienten für Beitragssenkungen, weil diese alle Versicherten begünstigen und nicht nur jene, die zum Arzt gehen. Auch Kauder sagte, er habe große Bedenken, die Praxisgebühr abzuschaffen. FDP-Vize Birgit Homburger sagte der Deutschen Presse-Agentur, Studien belegten, dass von den zwei Milliarden Euro Praxisgebühr-Einnahmen pro Jahr 600 Millionen Euro von den Bürokratiekosten verschlungen würden. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hatte gesagt, er könne sich auch eine Kombination aus Entlastungen bei den Beiträgen und der Praxisgebühr vorstellen.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) drängte die Koalition zu einer Entscheidung für eine armutsfeste Rente. „Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass (...) es auch schon aus rein zeitlichen Gründen nun an der Zeit ist, dass jetzt etwas entschieden wird. Und sie hat auch inhaltlich deutlich gemacht, wohin aus ihrer Sicht die Reise (...) gehen muss“, sagte ein Ministeriumssprecher. Im Kern gehe es darum, unterdurchschnittliche Rentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung aufzuwerten. „Sie ist zuversichtlich, dass diese Idee konzentriert weiterverfolgt wird.“ Details seien abzuwarten.
Kauder setzte sich dafür ein, Kindererziehungszeiten stärker bei der Rente zu gewichten. „Aber das geht ins Geld. Die Rechnungen gehen von drei bis sieben Milliarden Euro aus. Sieben Milliarden sind nicht zu stemmen.“
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag) mit Blick auf das Treffen am Sonntag: „In manchen Fragen haben CDU, CSU und FDP nun mal unterschiedliche Auffassungen. Da muss man sich zusammenraufen. Das ist nichts Schlechtes, sondern das gehört zur Demokratie.“ Teure Überraschungen werde es bei dem Treffen, an dem Schäuble selbst nicht teilnimmt, nicht geben. „Im Koalitionsausschuss wird nichts Finanzwirksames beschlossen, das nicht vorher mit dem Finanzminister abgestimmt ist. Und so ist es auch dieses Mal.“
Schäuble bezifferte das nötige Einsparvolumen oder die notwendigen Mehreinnahmen im Bundeshaushalt auf bis zu 9 Milliarden Euro, sollten Union und FDP bereits 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen wollen. „Wir müssen die Neuverschuldung 2014 gegenüber der bisherigen Planung um bis zu drei Prozent des Haushaltsvolumens reduzieren. Die Rückführung des strukturellen Defizits auf Null im Jahr 2014 ist ambitioniert, aber machbar.“