Minister im Baltikum Gabriel bekräftigt Zweifel an Zwei-Prozent-Ziel der Nato

Tallinn (dpa) - Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat vor einer zu starken Fokussierung auf das Militärische in der Sicherheitspolitik gewarnt.

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Bei einem Besuch in Estland erneuerte er Zweifel am Ziel der Nato, dass die Mitgliedsstaaten bis 2024 mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) fürs Militär ausgeben sollen.

Bei dem Nato-Gipfel in Wales 2014 sei beschlossen worden, dass sich die Mitgliedstaaten bemühen, in den kommenden zehn Jahren in Richtung der zwei Prozent zu gehen, sagte Gabriel nach einem Treffen mit dem estnischen Außenminister Sven Mikser in der Hauptstadt Tallinn. Die Nato habe nicht beschlossen, dass jedes Mitglied dann diese Marke auch erreichen müsse.

Er bekräftigte, für Deutschland halte er dieses Ziel für unrealistisch. Man müsse sich auch überlegen, ob sich der Rest Europas ein Deutschland wünsche, das mehr als 60 Milliarden Euro für das Militär ausgebe. Das wäre bei einer apodiktischen Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels der Fall.

Mit ähnlichen Aussagen hatte Gabriel zuletzt einen Koalitionsstreit vom Zaun gebrochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) sehen Deutschland beim Zwei-Prozent-Ziel in der Pflicht. Von der Leyen reist am Donnerstag ebenfalls ins Baltikum.

Gabriel betonte, Sicherheit könne nicht allein durch Verteidigungsausgaben gewährleistet werden. Dafür bedürfe es auch Anstrengungen etwa beim Kampf gegen Hunger und Armut in Afrika. Gabriel sprach sich für eine kollektive Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur in Europa aus, eine Verzahnung der Fähigkeiten der einzelnen Länder.

Mikser äußerte Verständnis für Gabriels Position. Der Schritt, der zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels getan werden muss, sei „sehr groß“. „Es ist sicherlich nicht möglich, dies über Nacht zu erreichen“, sagte er. Grundsätzlich müsse Beschlüssen der Nato-Staaten aber nachgekommen werden. Estland gehört als direkter Nachbar Russlands zu den wenigen Bündnisländern, die bei den Verteidigungsausgaben den Nato-Zielwert erreichen.

Den Esten versicherte Gabriel den Beistand Deutschlands. „Die Sicherheit Estlands ist unsere eigene Sicherheit“, sagte er in einem TV-Interview. Er verwies auf die Mitgliedschaft Estlands und der Bundesrepublik in der Nato.

Die östlichen Mitglieder des Bündnisses sind wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine besorgt um ihre Sicherheit. In Estland sind derzeit bis zu sechs deutsche Eurofighter zur Überwachung des baltischen Luftraums stationiert. Die Nato hat ihre Präsenz in Osteuropa verstärkt, die Bundeswehr führt einen Truppenverband in Litauen an.

Nach der Unterredung mit Mikser kam Gabriel mit Estlands Ministerpräsident Jüri Ratas zusammen. Anschließend wollte er nach Lettland und Litauen weiterreisen.